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bits of

Same cl. Green, M.B
(B.3.1851)

Entered, according to Act of Congress, in the Year 1864, by

KARL HEINZEN,

In the Clerk's Office of the District Court of the District of Massachusetts.

Druck von Hermann Voknack, 425 Washington Str.,
Boston, Mass.

Die Wahrheit.

(Ein Vortrag. 1863.)

Einen früheren Vortrag über „salomonische Weisheit" schloß ich mit den Worten: „Alles ist eitel, ausgenommen die Wahrheit und ihr Exponent, der Radikalismus“.

Nach diesem Ausspruch wirst sich ganz von selbst die Frage auf, was denn Wahrheit sei und in welchem Verhältniß der Radikalismus zu ihr stehe. Wer diese Frage vollständig beantworten wollte, würde sich eine Aufgabe stellen, zu deren Lösung weder die Kraft noch die Lebenszeit eines Menschen ausreicht. Denn in das Gebiet der Wahrheit gehört nicht bloß Alles was existirt, sondern sogar Älles was nicht existirt. Die Wahrheit umfaßt die ganze Welt mit Allem was sie hervorbringt und denkt, sagt und verschweigt. Der Radikalismus aber hat es so wenig, wie irgend eine andere Nichtung, in seiner Macht, über alle Näthsel Aufschluß zu geben, deren Lösung das nie ruhende Bedürfniß des Menschen nach Wahrheit verlangt. Was den Radikalismus berechtigt, als Exponent der Wahrheit aufzutreten, ist bloß Dieß:

1. Er sucht die Wahrheit allseitig um der Wahrheit willen und verlangt ihre Herrschaft;

2. Er scheut vor keinen Konsequenzen der Wahrheit zurüd und bringt ihr zu lieb alle andern Rücksichten zum Schweigen.

Es ist dieß im Grunde nicht mehr, als von jedem vernunftbegabten Wesen verlangt werden sollte, aber es wird zum entscheidenden Vorzug durch die Stellung, welche die Menschen im Allgemeinen zur Wahrheit eingenommen haben. Daß man, um die Wahrheit zu finden, von allen übernommenen Vorstellungen abstrahiren müsse, haben die Philosophen, diese Wahrheitsfreunde par excellence, uns längst eingeschärft; aber daß man das Gefundene um seiner selbst willen schätzen, daß man es ohne Scheu aussprechen und ohne Rücksicht auf die Vertreter übernommener Vorstellungen verbreiten müsse, diese Federung hat am Wenigsten in dem Tugendprogramm der Philosophen geglänzt. Daß Philosophie Liebe zur Weisheit oder Wahrheit bedeute, haben wir schon als Schulknaben gelernt; daß aber diese Liebe auch die Treue einschließen müsse, hat man uns am Wenigsten durch das eigene Beispiel gezeigt. Descartes, den man neben Bacon den Vater der neueren Philosophie genannt hat, stellte allen Untersuchungen die Foderung voran, von den ersten Gründen anzufangen, alle Voraussetzungen und Annahmen aufzugeben, die uns von Jugend auf durch Erziehung und Umgebung eingepflanzt worden, kurz Alles, sogar die Existenz der sinnlichen Dinge und die unumstößlichen Säße der Mathematik in erster Instanz zu leugnen oder in Zweifel zu ziehen. Aber als ein Hauptgrund zu dieser fehr empfehlenswerthen Zweifelsucht

"

gilt ihm die Möglichkeit, „Gott“ könne uns absichtlich zum Irrthum geschaffen haben! Vor der Autorität „Gottes" also, des Unvermeidlichen und Unangreifbaren, dessen Extstenz vor Allem erst zu beweisen war, brachte Descartes seine vorsichtigen Zweifel sofort zum Schweigen, obschon er demselben die edle That zutraute, uns Menschen als Narren in die Welt gesetzt zu haben. So wie gewisse arithmetische Kunststücke, von welcher Seite man sie auch anfasse, immer die nämliche Zahl zum Vorschein bringen, so besteht, wie es `scheint, das Hauptkunststück der Philosophen darin, durch die Folgerungen ihrer Systeme immer einen Gott herauszurechnen. Wo sie nicht mit ihm beginnen, müssen sie jeden Falls mit ihm endigen. Gleich Descartes, foderte auch Bacon als Vorbedingung aller richtigen Erkenntniß eine Reinigung des Sinnes von allen abstrakten Theorien und überlieferten Vorurtheilen"; zugleich führte er sehr richtig alle wahre Erkenntniß auf die Erfahrung und die Naturphilosophie zurück. Der nämliche Bacon aber, Philosoph und Staatskanzler, wußte sich mit der Theologie, dem direkten Gegensatz seiner realistischen Erkenntnißtheorie, ganz friedlich abzufinden. Und was haben wir an unsern großen teutschen Philosophen erlebt? Die meisten waren - Krone aller Fronie! königliche Professoren und wer von einem föniglich preußischen Professor ein offenes und ehrliches Zeugniß für die Wahrheit erwartet, liefert dadurch bloß eins gegen feinen eigenen Verstand. Selbst Kant wußte seine tritische Ppilosophie geschmeidig auf den Berliner Leisten zu schlagen und Hegel, obfchon ein Schwabe, eignete sich geschickt die preußischen Pfiffe" an, die er in die „List der Idee" libersezte. Um aber das Verbrechen wieder auszugleichen,

daß er die Philosophie mißbrauchte, um das infame Preußenthum an die Spitze des Universums zu schlußfolgern, schmuggelte er, mehr polizeilistig als ideenlistig, seine Freiheits-Ideen in einer philosophischen Gaunersprache ein, die nach seinem eigenen Zeugniß Niemand verstand. Ueberhaupt hat an der dunklen Tiefe manches berühmten Schriftstellers die Polizei und der Pöbel mehr Antheil, als sein Genie. Alle Welt würde bedenklich den Kopf schütteln, wenn man ihr versicherte, die wahre Philosophie sei die Stütze der Throne und der Altäre, und doch geht alle Welt schweigend über die verdäch- ́ tige Thatsache hinweg, daß überall die berühmtesten Philosophen die Freunde der Könige waren und mit den Pfaffen in Frieden lebten. Besonders bemerkenswerth und bedeutungsvoll ist ferner, daß fast alle unsre bekanntesten Philosophen aus der Sippschaft der Theologen hervorgegangen sind: Kant hat Theologie studirt, Fichte hat Theologie studirt, Schelling hat Theologie studirt,

Hegel hat Theologie studirt,

fogar Arnold Ruge hat einst Theologie studirt, ja selbst Ludwig Feuerbach hat Theologie studirt, aus welcher er später in die Anti-Theologie übersprang, ohne aber die Konsequenzen dieser Stellung bis zum entschiedenen Materialismus systematisch zu verfolgen.

Wenn nun eine Reinigung des Gehirns von den überlieferten Anschauungen, Vorstellungen, Irrthümern, Vorurtheilen die erste Bedingung zur Ermöglichung einer Erforschung der Wahrheit ist, so läßt sich schließzen, wie schwer es unsern theologischen Philosophen oder philosophischen Theologen gewesen sein muß, einen unbefangenen Standpunkt

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