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dem daselbst den steuerfreien Wählern seit Jahren das Wahlrecht zusteht, liegt auf der Hand. Man mufs auch sagen, dafs dieses System nicht im Einklange steht mit der allgemeinen Wehrpflicht. Ein Staat, der die allgemeine Dienstpflicht besitzt, mufs jedem Staatsangehörigen das Wahlrecht einräumen. Dieses Verlangen kann nicht mit den etwas einseitigen und schiefen Einwendungen GNEISTS begegnet werden, wonach die Erfüllung der Wehrpflicht mehr eine Wohlthat als eine Last sei. Es mag das in vielen Fällen zutreffen. Im grofsen und ganzen wird aber die Erfüllung der Wehrpflicht vom Unbemittelten und Wenigbemittelten ebenso als eine Last empfunden wie vom Wohlhabenden und Studierten, wenn auch glücklicherweise vielfach die einen wie die andern auf die Leistung dieser staatlichen Pflicht stolz sind.

Das Richtigste wäre wohl, wenn endlich die bereits in dem suspendierten Artikel 70 der Verf. -Urk. vom 31. Januar 1850 in Aussicht genommene Verbindung des Landtagswahlrechts mit dem Gemeindewahlrecht verwirklicht werden könnte. Noch ist aber das Gemeindeverfassungsrecht zu vielgestaltig, um dies zu ermöglichen.

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Bei dieser Sachlage wird also bei einer neuerlichen Wahlreform das Dreiklassenwahlsystem nicht verlassen werden, und zwar um so weniger, als die Regierung zu wiederholten Malen erklärt hat, sie halte an diesem Systeme fest. Es kann sich daher nur darum handeln, dasselbe möglichst erträglich zu gestalten. Zu diesem Zwecke mufs der demselben gegenwärtig anhaftende plutokratische Charakter genommen werden. Es kann dies zunächst durch die sogenannte Maximierung der Steuern erreicht werden, d. h. durch die Bestimmung, dafs Steuerbeträge und zwar aller Steuern, nicht blos der Einkommensteuer die z. B. die Summe von 4000 M. übersteigen, für die Abstufung des Wahlrechts nicht mehr gerechnet werden. Weiter wären für die beiden oberen Abteilungen Minimalzahlen der Urwähler vorzuschreiben. Werden dieselben im einzelnen Falle nicht erreicht, so hat eine entsprechende Anzahl Wähler von der nächsten Abteilung vorzurücken. Endlich könnte wieder auf den Vorschlag der "Zwölftelung in der Teilung der Klassen nach 5/12, 4/12 und 3/12 der Steuerbeträge zurückgegriffen werden, sofern dieser Vorschlag nicht durch die Festsetzung von Minimalzahlen der Urwähler in den oberen Abteilungen überflüssig gemacht wird.

Durch derartige Bestimmungen würde der Einfluss der höchsten Steuerbeträge auf die Klassenbildung erheblich abgeschwächt und aufserdem verhindert, dafs einzelne Urwähler die erste oder auch zweite Abteilung ausfüllen und auf diese Weise ohne innere Berechtigung ein oft hundertfach stärkeres Stimmrecht ausüben als die Urwähler in der dritten Abteilung. Mangelhaft wird das Dreiklassenwahlsystem auch mit solchen Verbesserungen immer noch bleiben, aber das Gehässige, das ihm gegenwärtig anhaftet, wäre wenigstens beseitigt.

Dafs die neueste Wahlreform so mangelhaft ausgefallen ist, ist in der Hauptsache Schuld der konservativen Partei. Es ist sehr zu bedauern, dafs gerade diese Partei, welche sich in der Hauptsache aus sozialen Kreisen rekrutiert, die jederzeit bereit waren, dem Staate mit Gut und Blut Opfer zu bringen, einem Wahlsysteme zugestimmt hat, das dem Reichtume als solchem einen ungebührlichen politischen Einfluss einräumt, und dadurch in den politisch benachteiligten Bevölkerungsschichten nur Erbitterung hervorzurufen geeignet ist.

Wie schon bemerkt, wird aller Wahrscheinlichkeit nach die Frage der Landtagswahlreform in Preufsen in nicht zu ferner Zeit wieder aufgeworfen werden. Hoffentlich sieht dann die konservative Partei ein, dafs sie die einflussreiche Stellung, welche sie im preufsischen Staate beansprucht und beanspruchen kann, nicht auf einen so schwankenden Boden aufbauen darf, wie es das jetzige Dreiklassenwahlsystem ist.

„Über das Recht der Polizei."

Vortrag,

gehalten im Jahre.1791 dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm (III.)

von

Karl Gottlieb Svarez.

Mitgeteilt und eingeleitet von H. Rosin.

In dem Jahre, in welchem das preufsische,,Allgemeine Landrecht" seine Säkularfeier begeht, treten naturgemäfs auch die Gestalten der Männer, welche jenem Gesetzbuch das Leben gegeben haben, wieder mehr in den Vordergrund des allgemeinen Interesses. Unter ihnen steht in erster Reihe derjenige, den man mit Fug als den eigentlichen Schöpfer des Landrechts bezeichnen kann: CARL GOTTLIEB SVAREZ. Sein Leben ist in Gestalt eines vollendeten Kulturbildes im Jahre 1885 durch STÖLZEL geschildert worden (, CARL GOTTLIEB SVAREZ. Ein Zeitbild aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts". Berlin, Vahlen). In diesem Werke ist auch ein Abschnitt (S. 280-320) den rechts- und staatswissenschaftlichen Vorträgen gewidmet, welche der Verfasser des Landrechts in den Jahren 1791 und 1792 dem damaligen Kronprinzen, späteren König FRIEDRICH WILHELM III. gehalten hat. Diese Vorträge sind nach mehrfacher Richtung von wesentlichem Interesse. Sie zeigen uns, vom historischen Standpunkte aus, den Geist, in welchem FRIEDRICH WILHELM III. in die Betrachtung des Staates wie des Rechts eingeführt worden ist, und erlangen damit eine wesentliche Bedeutung für die Würdigung seiner Charakterentwicklung. Sie bilden ferner ein nicht unwichtiges Material für das Verständnis einiger, namentlich staatsund verwaltungsrechtlicher Partien des allgemeinen Landrechts, welches zur Zeit der Vorträge als „Allgemeines Gesetzbuch für die Preufsischen Staaten" im wesentlichen in seiner späteren definitiven Gestalt vorlag und seinem Inkrafttreten entgegenging. Die Vorträge haben aber endlich eine wesentliche Bedeutung für die Geschichte der Rechtsund Staatswissenschaften, indem sie uns erkennen lassen, welche Ausprägung die damaligen naturrechtlichen Theorien, in die SVAREZ zuerst auf der Frankfurter Universität, unter hauptsächlichem Einfluss von DARJES, des hervorragenden Schülers CHR. V. WOLFFS, eingeführt wor

den war, in dem Geiste eines ausgezeichneten, zu intensivster Teilnahme an der Gesetzgebung berufenen Mannes angenommen haben. Leider sind die Vorträge bisher nur bruchstücks- und auszugsweise zur Veröffentlichung gelangt, und es dürfte daher die erste Bekanntgabe eines vollständigen Vortrages über eine wichtige Materie nicht ohne Interesse sein. Dem Verfasser dieser Einleitung ist die Abschrift des Vortrages aus dem im kgl. preufsischen Justizministerium befindlichen Material bei Gelegenheit einer das preufsische Polizeirecht betreffenden Arbeit (Der Begriff der Polizei und der Umfang des polizeilichen Verfügungs- und Verordnungsrechts in Preufsen ", Verwaltungsarchiv, Bd. III, S. 249 ff.) durch die gütige Vermittlung des Herrn Geh. Oberjustizrats STÖLZEL zur Verfügung gestellt worden.

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Die Zeit der Vorträge erstreckt sich vom Januar 1791 bis zum März 1792. Sie ist von Wichtigkeit mit Rücksicht auf den politischen Hintergrund, von dem der Inhalt der Darlegungen charakteristisch sich abhebt. Die französische Revolution auf der einen Seite, Religionsedikt und Zensuredikt in Preufsen auf der anderen: so war es in der That keine leichte Aufgabe, dem künftigen Könige von Preufsen, unbeirrt durch die Klippen auf beiden Seiten des Weges, die Prinzipien des Verfassungs- und Regierungsrechts, zumal in naturrechtlicher Auffassung, vorzuführen. SVAREZ hat sich dieser Aufgabe furchtlos und treu entledigt, und so konnte er am Schlusse seiner Vorträge mit Recht zu seinem hohen Schüler sprechen: Darüber darf ich mir vor Gott und meinem Gewissen Zeugnis geben, dafs ich Ihnen, gnädiger Herr, nichts gesagt habe, als was ich bei der sorgfältigsten Prüfung als wahr, richtig und dem grofsen Zwecke meines Vortrages gemäfs erkannt habe. Ich habe Ihnen mitunter dreiste Wahrheiten gesagt, welche den Ohren der Fürsten selten willkommen sind; aber ich hielt es für meine Pflicht, dies zu thun. Denn es kommen die Zeiten, wo Ew. königliche Hoheit Dero Person uud künftig Dero Thron mit Leuten umgeben sehen werden, denen es an Mut oder an Uneigennützigkeit fehlt, ihrem Gebieter unangenehme, aber notwendige Wahrheiten vorzutragen. Möchten doch Ew. königliche Hoheit sich in diesen Zeiten zuweilen an gewisse Grundsätze erinnern, die Ihnen ein Mann gesagt, der keine andere Regel seiner Handlungen kennt, als seine Pflicht und die innigste Zuneigung für sein Vaterland und dessen erhabenen Beherrscher". (Stölzel, S. 284.) DERNBURG (Akademische Rede über „König FRIEDRICH WILHELM III. und SVAREZ", 1885, S. 13) sagt mit Recht, dafs diese Worte nicht minder den, von dem sie herrühren, als den, zu dem sie gesprochen werden konnten, charakterisieren.

Über die Form, in welcher SVAREZ sich seiner Aufgabe entledigte, berichtet STÖLZEL (S. 282) auf Grund des gesamten ihm vorliegenden Materials, dafs SVAREZ damit begann, einen ausführlichen Plan des

Ganges zu entwerfen, welchen die Vorträge nehmen sollten. Er schied seinen Stoff in fünf Hauptabteilungen: Natur- und allgemeines Staatsrecht, allgemeines Völkerrecht, allgemeine Übersicht des deutschen Reichs- und Staatsrechts und der deutschen Reichs- und Staatsverfassung, Privatfürstenrecht, Privatrecht im übrigen. Dem letzteren Abschnitt war einverleibt die Geschichte der Gesetzgebung, insbesondere der preussischen, die Lehre über die Kirchen und geistlichen Gesellschaften, das Kriminalrecht und der Kriminalprozefs, der Zivilprozess, das Vormundschafts-, Hypotheken- und Depositenwesen. Die gröfste Bedeutung legte dabei SVAREZ dem an die Spitze gestellten Naturund allgemeinen Staatsrecht bei, welchem auch der hier abgedruckte Vortrag angehört; das positive Recht und namentlich das Privatrecht tritt verhältnismässig in den Hintergrund. So ist es nach dem Wesen des damaligen Naturrechts zum grofsen Teil Staatslehre bezw. Verfassungs- und Regierungspolitik im heutigen Sinne, welche uns in den Vorträgen entgegentritt.

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STÖLZEL berichtet weiter, dafs SVAREZ für jeden Vortrag ein kleines Oktavheft ausarbeitete, welches zum Leitfaden diente. Es war darin teils nur mit einzelnen Schlagwörtern oder kurzen Sätzen der zu verfolgende Gedankengang angegeben, teils eine vollständige, zum Vorlesen bestimmte Ausarbeitung enthalten. Nachträglich schrieb dann SVAREZ die gehaltenen Vorträge nieder. Die Einreichung der so niedergeschriebenen Vorträge erfolgte jedesmal am Schluss der einzelnen Materie. Das Konzept des gröfseren Teils dieser Vorträge befand sich nebst der Disposition des Ganzen und nebst den Oktavheften, welche den Entwurf für den mündlichen Vortrag bildeten, in SVAREZ' Nachlafs und ging daraus in den Besitz des Justizministeriums über". Aus diesem Material stammen die bisherigen Veröffentlichungen, und

zwar:

1) SIEWERTS Materialien zur wissenschaftlichen Erklärung der neuesten allgemeinen preussischen Landesgesesetze, enthalten in ihrem 1. Heft (Halle 1800) die Disposition des Vortrages über den ,,Inhalt der preufsischen Landesgesetze", sowie im 4. Heft unter dem Titel: ,,Aphorismen zu einer allgemeinen Rechtslehre" die Disposition der 5 ersten Vorträge aus dem Natur- und allgemeinen Staatsrecht.

2) Im Jahresbericht der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur von 1850, II. Abt., S. 4-16, giebt KAHLERT wiederholt das bei SIEWERT, Heft 4, mitgeteilte Material der ersten 4 Vorträge und schliefst daran aus dem 10. Vortrage über das Recht des Krieges, des Friedens und der Bündnisse die Disposition der Ausführung über den „Krieg zur Aufrechterhaltung des politischen Gleichgewichts".

3) Im preufsischen Justizministerialblatt von 1875 hat STÖLZEL (S. 39-42, 48-50) die Disposition des Vortrages über das Verhältnis

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