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zu gelegen haben. Leider hat er aber dabei vergessen oder nicht gewufst, dafs auch auf den beiden Seiten der Halbinsel, die nach dem Mittelländischen Meere zu liegen, sich türkische Kanonenboote befanden und die Franzosen beschossen.

Ich komme auf meine Vermutung durch den Umstand, dafs wirklich in den Lac Madieh zwölf Kanonenboote eingefahren waren und den Franzosen zu schaffen machten. Aber das war im Anfang der Schlacht. Lannes befehligte den rechten Flügel und hatte den Auftrag bekommen, den Monticule du Puits zu nehmen. Zu diesem Zwecke mufste er am Lac Madieh entlang marschieren. Auf diesem Wege nun bekam er ein heftiges Kanonenfeuer in seine rechte Flanke. Bonaparte gab infolgedessen dem Artilleriegeneral Songis Befehl, sofort Geschütze auffahren zu lassen, und diese fügten den türkischen Schiffen ganz bedeutenden Schaden zu. Die Lage der letzteren wurde aber geradezu kritisch, als sie sahen, dafs der General Menou die rechte Seite der Einfahrt in das Mittelländische Meer besetzte und sich anschickte, sie auch seinerseits zu beschiefsen. Sie fürchteten, im Madiehsee vernichtet oder eingeschlossen zu werden, und flohen deshalb schleunigst wieder ins offene Meer hinaus.

Um Thiers' irrige Auffassung zu erklären, lässt sich noch eine andere Thatsache anführen, die vielleicht viel mehr ins Gewicht fällt als das oben Gesagte. Bonaparte hat einmal denselben Fehler begangen, indem er behauptete, der Feind habe seinen linken Flügel an den Lac Madieh angelehnt. In dem Schlachtenberichte, den er am 28. Juli 1799 von Alexandria aus an das Direktorium schickt, kommt folgende Stelle vor: L'ennemi débarque, prend d'assaut et avec une intrépidité singulière la redoute et le fort d'Aboukir, met à terre son artillerie de campagne et, renforcé par 50 voiles, prend position, sa droite appuyée à la mer, sa gauche au lac Madieh, sur de très belles collines. Diese ungenaue Angabe findet sich in den späteren Schriften Napoleons nicht. Es steht aber in dem Bericht kein Wort davon, dafs auch die Redoute sich an den Lac Madieh angelehnt habe. Es heifst von ihr: Nous attaquons alors la seconde ligne, qui occupait une position formidable, un village crénelé en avant, une redoute au centre et des retranchements qui la liaient à la mer; plus de trente chaloupes canonnières la flanquaient. Genau sind auch diese Angaben nicht, aber völlig verzeihlich in einem solchen Berichte. Die Türken werfen sich bei ihm auch nicht in den Madiehsee, sondern nur 'à l'eau' oder 'à la mer'. Thiers hat offenbar diesen Bericht benutzt und ist wahrscheinlich durch ihn mit zu seiner falschen Auffassung verleitet worden. In denselben Fehler verfallen übrigens auch Lanfrey und Sybel. Ein Blick auf die Beschaffenheit der Halbinsel Aboukir hätte sie leicht vor diesem Versehen bewahren können.

Der weitere Verlauf der Schlacht ist von Thiers anschaulich geschildert. Destaing greift den linken Hügel an, Murat umgeht ihn, und den eingeschlossenen Feinden bleibt nichts anderes übrig, als sich ins Meer zu stürzen. Auf der rechten Seite dasselbe Manöver. Darauf gehen Destaing und Lannes gemeinsam gegen das Dorf vor und werfen auch hier die Feinde in das Meer. Der Kampf um die zweite Linie, die Redoute, ist hartnäckiger, aber die Anstrengungen der Franzosen sind wiederum mit Erfolg gekrönt. Die Verteidiger finden ihren Tod in den Wellen. Freilich mufs an allen Stellen, in denen hier Thiers den Lac Madieh erwähnt, dafür die Reede von Aboukir eingesetzt werden, denn nur dort und in dem gegenüberliegenden Teile des Mittelländischen Meeres fanden die Türken ihren Tod. Auf beiden Seiten waren türkische Kanonenboote, die auf die Franzosen schossen und, wenn wir Marmont, Eugène Beauharnais u. a. glauben dürfen, sogar auf ihre eigenen Leute feuerten, um sie zur Rückkehr in die Schlacht zu zwingen.

Nach der Einnahme der Redoute geht es ins Dorf Aboukir, wo sich das Lager Mustapha Paschas befindet. Murat selbst dringt in das Zelt des Vezirs ein. Dieser feuert auf ihn seine Pistole ab und verwundet ihn, nicht, wie Thiers sagt, leicht, sondern recht schwer, denn die Kugel geht ihm durch den Unterkiefer. Aber die Wunde heilt vortrefflich und läfst auf dem schönen Gesichte Murats kaum eine Spur zurück.

In das Fort Aboukir ziehen sich ungefähr 1500 Mann zurück. Acht Tage lang leisten sie den kräftigsten Widerstand, dann werden sie durch den Hunger gezwungen, sich zu ergeben.

Das ist die Schlacht bei Aboukir, wie ich sie mir nach den Berichten der Mitkämpfer und den Tagebüchern und Armeebefehlen Napoleons zusammengestellt habe.

Es geht aus den obigen Auseinandersetzungen hervor, dafs die Darstellung Thiers' an mehreren Stellen der Berichtigung bedarf, aber wenn man einmal den Grundirrtum des Schriftstellers aufgedeckt hat, kann man die Schüler leicht dahin bringen, dafs sie die übrigen daraus entspringenden Fehler selbst finden. Da wir aufserdem die verschiedenen Vorbereitungen und die mannigfachen Stellungen kennen, die die einzelnen Heeresabteilungen einnehmen mussten, ehe man zum Entscheidungskampfe vorrückte, so ist die Landschlacht bei Aboukir in hohem Grade geeignet, den Schülern ein anschauliches Bild von der grofsartigen Kriegskunst Bonapartes zu geben. Gera, Reufs. O. Schulze.

Archiv f. n. Sprachen. CIX.

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Beurteilungen und kurze Anzeigen.

F. Paulsen, Die deutschen Universitäten. Berlin, A. Asher & Co., 1902. 575 S.

Fast könnte es ein bedenkliches Zeichen scheinen, wie die deutschen Bildungsanstalten sich auf sich selbst zu besinnen' anfangen. Auf Harnacks glänzende 'Geschichte der Berliner Akademie' folgt Paulsens erschöpfende Darstellung der 'Deutschen Universitäten'; wie wünschenswert wäre nun drittens eine Darstellung des deutschen Gymnasiums, wie es wirklich ist! Freilich wäre sie noch schwieriger. Harnack gab die Biographie eines grofsen Individuums, Paulsen legt die Porträts von vielleicht zwanzig Familienmitgliedern zur Photographie des Typus zusammen der Bearbeiter des dritten Themas aber müfste aus Hunderten von Einzelfällen eine lebendige Physiognomie herausschöpfen und herausschaffen, die weder ganz im allgemeinen bliebe, noch zu sehr am Specialfall haften dürfte.

Die Werke von Harnack und Paulsen sind übrigens keineswegs nur durch die verwandte Aufgabe miteinander verwandt: Hauptherde des wissenschaftlichen Fortschritts in Deutschland zu schildern. Viel näher noch werden sie einander durch jenen, ich möchte sagen: akademischen Optimismus gebracht, der seit noch nicht langer Zeit anfängt, die Staatsreligion der Gebildeten zu werden. Ich brauche wohl kaum zu bemerken, dafs dies bei beiden nicht etwa auf einer Anpassung an die Tagesstimmung beruht; vielmehr ist umgekehrt jener Optimismus eben deshalb in aufsteigender Verbreitung, weil hervorragende Männer gerade auch an den einflussreichen Hochschulen ihn vertreten (ich nenne nur Delbrück, Pfleiderer, Riedler, Schmoller, von Stengel, Zorn). Gewifs ist auch an sich diese Stimmung alles eher als ein übles Symptom; und wir dürfen uns nur freuen, dafs sie den bitteren Pessimismus oder resignierten Fatalismus früherer Epochen zu verdrängen beginnt. Gleichwohl wäre vielleicht gerade einem Werk, das sich mit einem so wichtigen Faktor der nationalen Weiterentwickelung liebevoll befafst, etwas mehr von dem Geist jener edlen Unzufriedenen zu wünschen gewesen, die Paulsen selbst (S. 323) so beredt zu würdigen versteht. Die Wendung, irgend ein Übelstand sei nun einmal der Preis, um den wir gewisse Güter erkaufen

müfsten, begegnet so häufig, dafs der Ethiker hier fast ganz hinter dem Verteidiger zurückzutreten scheint. Wenn etwa gegenüber gewissen Nachteilen der akademischen Freiheit in Deutschland darauf hingewiesen wird, dafs in England und Amerika trotz strengerer Gebundenheit die Zustände schwerlich erfreulicher seien, so könnte man dies sicherlich zugeben, die deutsche Libertät der Universitätsjugend durchaus wahren wollen und dennoch jenen Übelständen ernstlicher auf den Leib rücken, als es das wohlmeinende Vertrauen des Verfassers thut. Möglich wäre es doch, dass wir dieselben Vorzüge hie und da auch noch etwas billiger erkaufen könnten. Allerdings fehlt es auch bei Paulsen selbst keineswegs an beherzigenswerten Verbesserungsvorschlägen, z. B. betreffs der Wohnungsverhältnisse der Studenten (Studienhäuser S. 466) oder betreffs der Einrichtung des Studienganges (unverbindliche Studienpläne S. 418). Auch manche Bedenken fehlen nicht, neben solchen, die Referent teilt, z. B. wegen Überhandnahme der Prüfungen (S. 435 f.) oder wegen steigenden Abstandes zwischen akademischen und Volkskreisen (S. 149 f. u. ö.), auch solche, denen ich mich nicht anzuschliefsen vermag, wie betreffs der angeblichen Gefahr eines zu starken Prozentsatzes jüdischer Akademiker (S. 210). Je seltener nach Paulsens eigener Ansicht sich in Deutschland wieder ein so fester Boden zu ruhigem, vorurteilslosem Kennenlernen für die jungen Leute der verschiedenen Stände, Landschaften und Bekenntnisse bietet, desto mehr scheint es mir wünschenswert, dafs dieser Boden recht häufig gerade von denen betreten werde, deren Unglück es nur zu häufig ist, dafs sie ihre christlichen Mitbrüder nicht genau genug kennen und von ihnen nicht genügend gekannt werden.

Aber jene Verbesserungsvorschläge und diese Bedenken können doch dem Werke im ganzen jenen Charakter eines vielleicht zu sicheren Optimismus nicht nehmen. Vielleicht würde doch die Wirkung, die von dem vortrefflichen und vielfach unentbehrlich zu nennenden Werke ausgeht, auf den Leser und besonders auf die Zukunft eine noch tiefere sein, wenn der Schüler und Verehrer Fichtes stärker in den energisch fordernden Ton dieses mächtigen Volkserziehers eingegangen wäre. Paulsen, der sich (S. XII) seiner glücklichen Citate mit Recht freuen darf, hätte gegen den wohl unzweifelhaft zunehmenden 'schweren Mifsbrauch des Biers' manches Wort etwa bei Lagarde finden mögen, das kräftiger als seine eigene Mahnung die Gefahren hervorhebt, die hier für die moralische Gesundheit unserer Gebildeten liegen. Auch über das Duell hätte man vielleicht ein weniger vorsichtiges Distinguo gewünscht. Man braucht keineswegs gewisse Grenzfälle zu leugnen, in denen der Zweikampf beinahe moralische Notwendigkeit wird, und kann sich doch fragen, ob die allgemeinen Bestimmungen der Notwehr nicht zur Strafminderung oder Strafbeseitigung auch hier vollkommen genügen.

Doch in den bisher erwähnten Beispielen steht schliefslich im wesentlichen nur Meinung gegen Meinung, und so mag der vielerfahrene Pädagog möglicherweise recht behalten, auch gegen das, was sich anderen Beobachtern darzubieten scheint. Denn als einen Pädagogen haben wir Paul

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sen in diesem Werke doch vor allem anzusehen, und wenn er sich lustig genug gegen den Ausdruck 'Hochschul-Pädagogik' erklärt, wird man dem erfolgreichen Verfasser dieses mit Recht der studierenden Jugend Deutschlands gewidmeten Werkes doch wohl sagen dürfen, er habe damit ein ausgezeichnetes, bis dahin fehlendes Stück Hochschul-Pädagogik gegeben. — Aber bisweilen glaube ich doch zu sehen, dafs dieser Optimismus geradezu zur irrigen Zeichnung der thatsächlichen Verhältnisse führt. Und zwar in doppeltem Sinne: die einheimischen Verhältnisse werden oft zu günstig, die fremden zu ungünstig geschildert. So ist, um nur einiges herauszugreifen, das Monopol der 'Examensprofessoren' doch wohl erheblich mächtiger, als Paulsen annimmt, und die Stellung der Privatdocenten nicht ganz so idyllisch, wie er sie ausmalt. Auch hier wäre aus Biographien namhafter Gelehrten, z. B. von Carl Hase oder Gustav Freytag, manche Korrekturnote beizubringen. Auf der anderen Seite erhält man von dem Verfasser den Eindruck, als sei die Vorbildung der französischen Juristen eine so gut wie völlig wertlose. Aber sollte L. von Savigny sie nicht ebensosehr unterschätzt haben, wie es sein Grofsvater that? Über den Cole Napoléon lauten die Urteile der modernen Juristen doch wohl wesentlich anders als in dem 'Beruf unserer Zeit zur Gesetzgebung', und der französische Richterstand hat trotz mancher juristischen Unglücksfälle der letzten Jahre wohl immer noch das Recht, sich neben den Mitgliedern unserer wahrlich auch nicht unfehlbaren Judikatur sehen zu lassen.

Im übrigen ist die historische Darstellung Paulsens, wie sich bei ihm von selbst versteht, ebenso klar als zuverlässig. (Aufgefallen ist mir nur, dafs bei der historischen Übersicht der Universitätsgründungen die jüngste der almae matres vergessen ist: Czernowitz, bei deren Eröffnung Schmoller als Vertreter der nächstjüngsten Strafsburger Hochschule das berühmte, wenn auch vielleicht etwas zu stolze Wort aussprach: 'deutsch sein heifst arbeiten'.) Wer kennt denn auch das Material zur Geschichte des gelehrten Unterrichts in Deutschland, wie es sein Geschichtschreiber kennt? Höchstens hat sich Paulsen gelegentlich in seinen Aussagen zu ausschliefslich auf die reichsdeutschen Universitäten gestützt. So ist es nicht allgemein richtig, dafs nur die Ordinarien Sitz und Stimme in der Fakultät haben; in Zürich z. B. kann der Extraordinarius sogar Dekan werden, und gewählte Privatdocenten haben an mehreren Hochschulen ein Stimmrecht.

Die Disposition ist ebenso übersichtlich als erschöpfend. Alles kommt zur Sprache, die geschichtliche Entwickelung und der gegenwärtige Bestand, die Ethik des Universitätslebens nach ihrem Soll und ihrem Haben, die Gliederung des akademischen Lehrkörpers und die Gliederungen der Studentenschaft (wobei nur vielleicht die neueren Bestrebungen, eine allgemeine Organisation der 'Finkenschaft' zu schaffen, ein Wort verdient hätten). Beherzigenswerte Winke fehlen nirgends und werden so gut dem Examinator betreffs der Kunst des Prüfens (S. 441) wie dem Fuchs betreffs der allgemeinen Einteilung der Studienzeit (S. 418), der Kunst zu lesen (S. 407) und der Pflicht, Bücher zu kaufen (S. 404), zu teil. Zu

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