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und seine Fäuste hoben sich. Dann schloß er die Augen und

ließ die Fäuste sinken.

„Was geht uns das an," murmelte er. „Wir gehören Sonst --"

zum Vater auf die Burg.

Und er wandte sich um.

Augen Sibylles getroffen.

Sein Blick hatte die strahlenden 5

Und ohne ein Wort zu sprechen, setzte er sich an die Spitze der Kinder und stürmte heim.

Im Oktober wogten die französischen Truppenmassen zurück. Der österreichische Feldherr trieb sie noch einmal über den Rhein bei Neuwied und Bonn. Nur das rechts- 10 rheinische Land nördlich der Sieg"2 hielt sein Gegner in zähen Händen.

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VI

In den Wirrnissen der Zeiten wuchsen die Kinder auf wie auf einer sichern Insel, von deren Ufern aus ihr Blick auf Wogenschwall und Kampf der Menschen und Elemente ge= 15 richtet blieb, ohne daß der wilde Braus mehr als ihre Füße nette. Mit eiserner Beharrnis nußte der Alte von der Burg die Jahre aus, in denen die eingeschüchterten und durch das wechselnde Kriegsglück zermürbten Menschen am Rhein die sonst so tätigen Hände sinken ließen, kaufte Weinberge und 20 Trauben an, warb Tagelöhner, wenn die Arbeit es verlangte, richtete mit Hilfe des nie versagenden Freundes Schmitz die Kelterei in größerem Umfang ein und stand mit jedem neuen, der eigenen Kraft und Zuversicht abgerungenen Erfolge fester auf der heimischen Scholle.

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Und mit der gleichen frohen Beharrnis, mit der er den Boden bepflanzte und betreute, betreute und bepflanzte er die Seelen der Kinder. Nie kam eine Unterrichtsstunde in Wegfall, nie eine Stunde der Körperbildung. Schon schwam5 men die Knaben mit dem Mädchen um die Wette im Rhein, schon ritten die Knaben und das Mädchen den Gaul, der sich an Stelle des altersschwach verstorbenen Esels im Stall eingefunden hatte. Wenn der graubärtige Mann in der Unterrichtsstunde unter ihnen saß und in ihren frischen Antworten 10 den erweckten Geist empfand, wenn er sie beim Spiel der Kräfte in der Geschmeidigkeit ihrer Körper beobachtete, so blickte er wohl lächelnd in die blaue Ferne des Horizonts, als wüßte er dort drüben die Augen zweier Frauen, zweier Mütter, in beruhigtem Glanze.

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Oft zogen sie alle miteinander in die Hänge des Westerwaldes, und er lehrte die Kinder, an Blättern und Blumen, an Tieren und Gestein die schaffende Natur verstehen.

Der Joseph fam aus Bonn heim. Er hatte mit Erlaubnis der Behörde eine Kahnladung Wein in die Stadt 20 gebracht und war berauscht von seinen Erlebnissen.

„Se han en Bonn de Republik erklärt.2 Cis-rhenanisch heißt dat Ding."

Sie blieb es nicht lange. Ein Jahr darauf, im Frieden zu Campo Formio,3 fiel das linksrheinische Land an die französische 25 Republik, Mainz, Koblenz, Trier und Aachen wurden Sitz der Zentralverwaltungen, und Bonn sank jäh von den Höhen der Regierungsstadt in die Niederungen schlichter Landstädte.—

Lange schon hatte der Alte von der Burg sein besonderes Augenmerk auf die heranwachsende Sibylle gerichtet. In allen Knabenkünften war sie bewandert, flink in den Wissenschaften, flinker noch in den körperlichen Übungen. Von biegsamer Schlankheit und zartgefüllter Linie war ihr Wuchs, 5 und in den braunen Augen der Dreizehnjährigen lag oft ein stilles Feuer, das der lebensweise Mann als ein nur mühsam gebändigtes Temperament erkannte. Da merkte er, daß hier mehr als in Kinderjahren die Frauenhand fehle und der Umgang mit Frauen von Güte und Klarheit.

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Auch über den großen, ernsten Barthel sann er nach, der so hilfsbereit war und so ungeschickt in allen landwirtschaftlichen Dingen. Schon sproß dem Neunzehnjährigen der Bart. Mehr als früher sonderte er sich von den Geschwistern ab und saß am Arbeitstisch über Zeichenbogen und Maluten- 15 filien. Das Blut des Vaters hatte sich auf Johannes und Sibylle, das Talent des Vaters auf den schwer und ernst gearteten Barthel vererbt.

Schlank und elastisch war Johannes aufgewachsen. Er liebte die Landarbeit, weil sie ihm die größte Freiheit ließ, 20 sich in Wald und Feld herumzuschlagen und seine Gedanken wie Wandervögel steigen und fliegen zu lassen.

Der fünfzehnjährige Hein hatte am meisten seine Kindlichkeit bewahrt. Seinen großen blauen Augen bedeutete jeder Morgen ein neues Wunder, und die Berufung und 25 Vorbereitung zum Landwirt, Winzer und Jäger schien ihm die Erfüllung aller seiner Wünsche. Nach wie vor war ihm

der Vater der Träger jeder Wahrheit und Gerechtigkeit, der Gärtner und Pfleger seiner Seele, der große und gütige Lächler bei jedem Weh.

Wieder einmal war der Sommer zu Ende, und die Wein5 lese hatte frühzeitiger stattfinden können als je.

Da betrat der Alte von der Burg das Zimmer, in dem Barthel über den Tisch gebeugt saß und tuschte und aquarellierte. Lange stand er hinter dem Stuhle des Jünglings und betrachtete die Verkündigung der Engel, die auf dem 10 Karton entstand.

„Mach' Feierabend für heute," sagte er und legte ihm die Hand auf die Schulter. Wir beide allein wollen noch einen Spaziergang machen.“

Der Jüngling gehorchte sofort, ordnete seine Gerätschaften 15 und folgte dem Vater, der ihn durch den Garten führte, zum

hinteren Tore hinaus und den Höhenweg hinauf. Dort oben blieben sie stehen und blickten hinab auf das schützende Burghaus, auf Rheinbreitbach und den Strom und die Berge.

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„Es ist Herbst,“ sagte der Vater. Entsinnst du dich? 20 Es war auch Herbst, als ihr zu uns kamt, und es ist jetzt fünf Jahre her."

„Ich danke dir, Vater, du hast uns arme Kinder reich gemacht."

Du weißt nicht, wie reich mein Leben durch euch ge25 worden ist, Barthel. Mit dem wachsenden Verantwortungsgefühl wachsen wir selber. Und der Hein hat eine sonnige Jugend gehabt."

„Der Hein ist der beste von uns, Vater."

Der Graubärtige lächelte ein wenig. Es kommt darauf an, mit welchen Augen wir den einzelnen Menschen anschauen, Barthel. Auch ein schwächerer oder ein ungestümerer Charakter kann unsere ganze Liebe gewinnen. Und ein Vater 5 soll sorgen und helfen, aber nicht vergleichen. Du weißt doch, was ich euch versprach, Barthel, damals, als wir auch hier hinaufwanderten, und was ich in der Nacht darauf eurer sterbenden Mutter versprach: euch allen vieren Vater zu sein.“

Der Jüngling kämpfte nach Worten. Dann griff er nach des Mannes Hand und sagte nur ein einziges aus tiefster Seele: „Vater — —.“

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Der Alte erwiderte den Druck. Und den Jungen fröhlich anblickend, sagte er frischen Tons: „Und nun wünscht 15 der Vater mal mit seinem Ältesten zu reden. Du bist kein Landwirt, nein, und du wirst trotz allen redlichen Mühens feiner werden. Also sprich dich aus. Laß die Träume deiner stillen Stunden vor mir aufmarschieren, mit offenem Visier. Was möchtest du werden?"

Kirchenmaler, Vater. -" Und der Junge tat einen tiefen Atemzug.

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Der Alte blickte ihm wohlwollend in die Augen. Kirchenmaler. Ich habe es ja lange gewußt und wollte nur sehen, ob die Sehnsucht echt wäre und Bestand hätte. So habe ich 25 mich denn vor kurzem an die Düsseldorfer Kunstschule 1 ge= wandt und einige Blätter von dir mitgesandt. Heute ist Ant

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