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die Verantwortung für die drei fremden Kinder auf sich genommen hatte.

„Wie hieß das Mädchen?" fragte er freundlich.

„Maria Görres, Vater. Sie war die Tochter eines Schullehrers."

"Ich werde den Hein nach Koblenz schicken. Verlaß dich darauf, Johannes.“

Darüber schlief er ein.

Zwei, drei Stunden schlief er, ohne sich zu regen. Dann tat er einen tiefen Seufzer

Die drei Männer standen an seinem Lager, und der Alte legte ihm die Hand aufs Herz. „Ausgestürmt," sagte er. Und sie knieten nieder und sprachen ein stilles Gebet für seiner Seele Wanderung. —

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IO

Am nächsten Tage fuhr der Hein nach Koblenz. Er 15 fragte in der Stadt umher nach dem Lehrer Görres und erfuhr, daß er verstorben sei. Auf die Tochter besann man sich kaum. Da fragte er weiter, von Straße zu Straße, bis man ihn in ein baufälliges Haus wies. In einer kleinen Wohnung fand er eine junge Frau bei einer Plätterei. 20 Ein fünfjähriger Junge saß artig in einer Ecke über einem Bilderbuch.

„Ich heiße Heinrich von Einsiedel,“ sagte der junge Mann, „und hatte einen Pflegebruder, der Johannes Tiebes hieß."

Die Frau schob zitternd die Arbeit beiseite, lief zu ihrem 25 Jungen und faßte ihn bei der Hand. „Der Johannesist mein Mann.“

„Ich weiß es, Frau Tiebes, und der Vater schickt mich zu

Ihnen, Sie zu holen."

„Ist der Johannes - heimgekommen?"

„Er ist

heimgegangen, Frau Tiebes. Und der Vater

5 hat die Sorge für Sie und Ihr Kind übernommen.“

Die Frau saß auf einem Stuhl und weinte in ihre Hände, die sie vor die Augen gepreßt hielt. Der Knabe versuchte bettelnd die Hände zu entfernen.

„Frau Tiebes," sagte der Hein, „er ist als Hauptmann 10 gestorben. Wir wußten nichts von seiner Ehe, sonst hätten wir Sie nicht allein gelassen. Jetzt aber gehören Sie zu uns, und die Liebe, auf die Sie so viele Jahre gewartet haben, sollen Sie nun bei uns finden. Sie und das Kind."

Und er setzte sich ernst zu ihr und sprach mit ihr von Jo15 hannes und seiner Kindheit und von der Burg und dem Vater. Angstgeschüttelt saß sie neben ihm in dem Wagen, der sie von der letzten Poststation zur Burg brachte, ihren Knaben zwischen den Knien.

Und der Alte trat aus der Pforte heraus und schritt auf 20 den Wagen zu und reichte ihr die Hand. „Guten Abend, Maria. Sei uns allen willkommen. Ist das dein Junge? Wie heißt er?"

"Johannes," sagte sie mit bebender Stimme.

„Ah,“ sagte der Alte, „nun haben wir doch wieder einen 25 Johannes." Und er hob das Kind empor und küßte es.

XIII

„Jetzt oder nie," rief der alte Schmitz und schwenkte ein Zeitungsblatt. „Aufgepaßt!"

Er hielt das Blatt von sich und las mit erhobener Stimme: „Aufruf an mein Volk und an mein Kriegsheer!" 1

Der Alte von der Burg streckte die Hand nach dem Blatte 5 aus. „Es ist das erstemal," sagte er ernst, „daß ein König begriffen hat: Fürst und Volk haben ein einziges zu sein.“ Er las den Aufruf noch einmal still für sich. „Die Zeitung berichtet noch mehr, Freunde. In Preußen hat man die Bildung einer Landwehr 2 beschlossen. Alle wehrhaften, aber 10 noch nicht eingeübten Leute vom siebzehnten bis zum vierzigsten Jahre werden unter die Fahnen gerufen. Und als Landsturm werden die Leute vom fünfzehnten bis zum siebzehnten und vom vierzigsten bis zum sechzigsten Lebensjahre aufgeboten. Das ist das ganze Volf."

Einige Tage darauf trat der Hein vor den Vater. Vater und Sohn sahen sich schweigend in die Augen.

„Ich weiß, was du willst,“ begann nach einer Weile der Alte. „Du willst zu den Lüßowern.3 Und du hast meinen Segen." „Ich danke dir, Vater."

"Ich gebe mein Bestes her. Jeder gibt sein Bestes. Wolle Gott, daß aus dieser Saat der Völkerfrühling werde."

Am anderen Morgen reiste der Hein nach Breslau ab.
Die stille Burg glich um diese Zeit einem heimlichen Haupt-

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quartier. Oft kamen des Abends ernste Männer von weit her, die früher nie durch das Tor eingezogen waren, und saßen in des Hausherrn Zimmer. Dann tauschten sie Nachrichten aus von fernen Kriegsschauplätzen und erwogen Pläne 5 zur Wiederbelebung des deutschen Nationalgefühls auf beiden Ufern des Rheins. „Der Rhein Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze!" 1

Die Feldbriefe Heins wurden verlesen und die zündenden Gedichte, die er von seinen Mitkämpfern Theodor Körner und 10 Max von Schenkendorf, die er von dem unermüdlichen Ernst Moritz Arndt herübersandte.

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Nie wurde die Zensur 4 härter ausgeübt als in den kommenden Oktobertagen, die alle Völker Europas in der Leipziger Ebene zum Kampf versammelt sahen. Die Zeitungen wur15 den aufgehalten, die Briefposten durchstöbert. Nichts ließen die französischen Behörden an den Rhein und über den Rhein, was ihnen nicht genehm war. Frankreich sollte und durfte seinen Kaiser nur im Siegesglanze sehen. Napoleon wußte, was für ihn auf dem Spiel stand.

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Aber ein Gemurmel ging den Rhein hinab. Die Wellen trugen es auf ihrem Rücken, und die Rheinleute flüsterten es sich zu.

Habt ihr es gehört?"

Da war der alte Weinhändler trotz seiner Körperfülle die 25 Gasse hinauf und zum Burgtor hinein.

„Siegesnachrichten. Der Kaiser - ist auf der Flucht.“
„Es ist eine Schlacht geschlagen worden, wie sie die Welt

noch nicht erlebt hat. Fünf Tage lang haben sie gekämpft und gerungen, und Hunderttausende sind hingeschlachtet wor= den. Am vierzehnten Oktober begann es. Im Süden der Stadt Leipzig stießen die Reiterschwadronen Murats mit den heranrückenden Vortruppen der Verbündeten zusammen 5 und wurden unter einer heftigen Kanonade zurückgeworfen.

„Und der Blücher?" drängte der alte Schmitz.

„Er hatte Yorck bei sich. Der führte am Abend seine Reserve zum Sturm, er selbst im Galopp seinen Husaren voran, und unter wildem Gemetel eroberten sie Möckern und 10 jagten die Franzosen bis unter die Mauern Leipzigs. Aber die Hauptschlacht war auf den achtzehnten bestimmt."

„Der achtzehnte Oktober," sagte der alte Schmitz andächtig vor sich hin.

Und der Alte von der Burg wiederholte: „Der achtzehnte 15 Oktober. Gottes Gerichtstag."

„Dreihunderttausend Verbündete standen gegen hundertfünfzigtausend unter Napoleon. Freunde, wir müssen als Männer gerecht denken. Napoleon Bonaparte hat sich ge= schlagen wie ein Held und wie ein Meister der Kriegskunst. Nie 20 war er gewaltiger als an diesem Tage des Zusammenbruchs." „Ah," murmelte der alte Schmitz, „er ist zusammengebrochen."

Der alte Schmitz tat einen tiefen Seufzer.

„Der neunzehnte Oktober," fuhr erregt der Burgherr fort, 25 „brachte die Erstürmung der Stadt von den Russen, Polen und Rheinbundtruppen, jetzt von Blücher selber geführt.“

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