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oder brüntzlend." Namentlich kommt das Wort so in den Kompositis bossenwerk und bossenstück vor. Dasypodius giebt bossenwerk durch parergon. Deutlicher nennt Henisch S. 466 und 467 bossenwerk „das laub, so man zur zier von stein oder holzwerk um die Thüren macht." Er spricht von einem „trinkgeschirr mit allerlei bossenwerk von gold oder silber geziert.“ Frisch, Bd. II S. 66, hat: „Bossenstück von Laubwerk, wunderliche Figuren und Auszierungen von Larven und Fratzengesichtern, larvæ, terribiles ornamentorum, anaglyphorum figuræ, ab artificibus fictæ." In diesem Sinne kommt Posse, Bossenwerk u. s. w. bei den Schriftstellern namentlich des 16. Jahrh. sehr häufig vor. Bei Grimm ist eine ganze Reihe von Beispielen dafür angeführt. So heifst es in Stumpfs Schweizerchronik 669: „Neben jeglichem Wappen und Ehrenzeichen waren zween Bossen" (d. h. in Bern zwei Bären, in Zürich zwei Löwen). In der deutschen Übersetzung der remedia utriusque fortunæ Franz Petrarchas vom Jahre 1559 heifst es:,,Warum lafst Ihr Euch also bewegen die Bilder, die sich weder wegen noch regen mögen, ob sie schon im Bossen stehn, als wollten sie gehn, lachen und weinen." Bei H. Sachs I, 399b liest man: Auf dem Gesimbs sach ich viel Possen

Aus Glockenspeis künstlich gegossen.

Ob das „bofs", welches sich bei Schriftstellern aus jener Zeit im Sinne von lustiger Mensch, lustiger Gesell findet, eben jenes Possen, also nichts als eine Übertragung von jenen leblosen komischen Relieffiguren auf lebende Menschen sei, lasse ich dahingestellt. Bei Kaisersperg im Ev. Septuag. heifst es: Aber die erbern dingt man nit, wenn nieman fragt von der leer, dann allein, ist er ein gut gesel und ein guter bofs." Und in seinen Predigten über Brands Narrenschiff c. 50: „Mancher in disem schyff gern fert, dann es sind viel gut bossen drynn, die grofs arbeit und klein gewinn hant." Scherz und Oberlin, die diese Stellen aus Kaisersperg anführen, erklären das Wort mit homo facetus. Jedenfalls dürfte der Übergang aus jenen lustigen Figuren, aus jener komischen Relief- und Feuilletonarbeit auf unser Posse im Sinne von lustiges Ding, belustigende Arbeit überhaupt das Richtige sein. Grimm weist mit Grund darauf hin, dafs sich daher auch wohl die Wendungen: einen Possen

reifsen, einen Possen treiben, erklären. Erwähnen will ich noch eine Stelle in Joh. Mathesius' Sarepta oder Bergpredigt (Bl. 181* ad fin., Ausg. v. 1587, Nürnberg), wo das Verbum possieren geradezu in der Bedeutung von „,in komischer Weise erdichten" gebraucht wird. „Dise heimliche heillose vnnd Gotteslesterliche abgötterey," sagt er dort, will vns nun vnser Preceptor seliger in seinem gemalten glast fürstellen, damit wir die triegerey neben Gottes Wort in gleichnufs erkennen -- selber auch keinen Gott oder Gottesdienst possirn, erdichten vnnd vns vor menschentand vnd satzungen hüten.“

Wann und bei welchem Schriftsteller zuerst der Übergang dieses, in früherer Zeit überall als Maskulinum gebrauchten Bosse, Posse in das Femininum „die Posse" eingetreten sei, läfst sich kaum angeben, noch schwieriger dürfte der Nachweis sein, wann dies „Posse" zuerst als Bezeichnung für ein ganzes dramatisches Stück angewendet worden ist. Ursprünglich war der Posse (bei Adelung zuerst „der Possen“) nur ein einzelner lustiger Streich, eine einzelne lustige Gebärde, Possenreifser Männer, welche solche lustige Streiche oder Grimassen machten. Allerdings gebrauchte man diese Bezeichnung schon immer hauptsächlich von solchen Streichen und Gebärden in dramatischen Spielen. Alle comedische Scribenten, denen Bossen zu reifsen angeboren" schreibt schon Fischart im siebenten Kapitel seiner „Geschichtklitterung". Die Sache selbst, das dramatische Possenspiel, ist ja uralt und hat mit den Anfängen unseres Dramas überhaupt begonnen. Schon in die geistlichen Ludi des Mittelalters waren possenhafte Elemente eingemischt, und zusammenhängende Possenspiele, oft auch nur als Anhängsel an grössere ernste Stücke, weist die Theatergeschichte in allen Ländern, hauptsächlich an den Hauptstätten der Entwickelung unseres deutschen Dramas, also in Nürnberg, Wien, Hamburg, Berlin nach. Die Bezeichnung Posse für Komödie findet sich aber erst bei Gottsched:

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Drum tummle sich im Thal der Posse,
Wer sich nicht höher schwingen kann,

heifst es bei ihm, und damit ist zugleich jener Begriff der Posse als etwas niedrig Komisches, als eine gemeine Gattung des Dramas gegeben und mehr als ein Jahrhundert lang im wesent

lichen geblieben. Was man sich unter Posse vorstellt, dafür dürfte der Artikel bezeichnend sein, welcher sich dafür in dem von Herlofssohn und R. Blum herausgegebenen Theaterlexikon findet, einem Werke von nicht gerade autoritativer Bedeutung in der Litteratur, aber interessant als Echo dessen, was in den Theaterkreisen herrschende und allgemein gültige Meinung war und auch noch ist. Die Posse," heifst es dort in dem von Louis Schneider geschriebenen Artikel, „schildert gewöhnlich, ohne die strengen Regeln des höheren Lustspiels zu befolgen, Begegnisse und Situationen des gemeinen Lebens, durch Gegenüberstellung lächerlicher Individualitäten, deren Konflikt eine komische Wirkung hervorbringt. Die Posse will nicht Charaktere folgerecht entwickeln, will keinen Grundsatz, keine Wahrheit zur Anschauung bringen, sondern ohne tiefere Absicht das Ungewöhnliche, Lächerliche in oft gewagter und kaum zu rechtfertigender Zusammenstellung darstellen. Ihr Feld ist die Übertreibung in Situation und Charakter, ihr äufseres Gewand der Witz in seiner gröfsten Ausgelassenheit, ihre Grenze das Läppische, absolut Gemeine und Niedrige. Aus diesen Gründen ist eine gute Posse eine so seltene Erscheinung auf der deutschen Bühne. Es gehört eine ganz besondere Befähigung dazu, die Grenzen zu erkennen, bis zu welchen der Dichter hier gehen kann, und es ist eine alte Bühnenérfahrung, dafs eine Posse entweder vollständig durchfällt oder einen glänzenden Erfolg hat." Im weiteren Verfolg des Artikels wird dann darauf hingewiesen, dafs gute Possen, da sie ein Spiegelbild des wirklichen Lebens seien, meistens nur in gröfseren Städten entständen, „wo das Volksleben bewegt, schnell wechselnd und eigentümlich sich gestalte." Auch sei für die Entwickelung der Posse die grofse Stadt insofern Vorbedingung, als sie eine besondere Bühne für sich verlange und man weder dem Publikum zumuten könne, auf denselben Brettern, wo noch eben die klassischen Gebilde unserer Dichterfürsten erschienen seien", Stücke wie das Landhaus an der Heerstrafse" oder den „Pachter Feldkümmel von Tippelskirchen" darzustellen oder zu goutieren. Die beiden Dinge, welche der Posse hier vorgeworfen werden, Übertreibung in Situation und Charakteren und das Streifen an das Niedrige und Gemeine im Menschen, sind jene

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beiden Eigenschaften, welche man noch heutzutage gemeinhin mit dem Begriffe der Posse verbindet und wegen deren man sie eben zum bas genre der Poesie rechnet. Sind diese Eigenschaften denn aber in der That so schlimm und so herabwürdigend? Finden sie sich, frage ich zunächst, nicht in den ausgezeichnetsten Stücken der hervorragenden Komödiendichter aller Zeiten und Nationen? Wenn in den „Vögeln" des Aristophanes die Übersättigung der beiden wackeren Bürger Beschwatzefreund und Hoffegut an dem politischen Treiben in Athen so weit geht, dafs sie in eine Felseneinöde zum Vogel Wiedehopf flüchten, mit den Vögeln ein Wolkenkuckucksheim gründen und sich selbst in Vögel verwandeln, ist das nicht „Übertreibung in Situation und Charakteren"? Verdient es eine andere Bezeichnung, wenn Sokrates in den „Wolken" seine Phantastereien so weit treibt, dafs er mit diesen luftigen Wesen selbst in Verkehr tritt und dem Sohne des bei ihm Hilfe suchenden Strepsiades. mit seinen Sophistereien den Kopf derartig verdreht, dafs dieser seinen eigenen biederen Vater durchprügelt? Ja man kann sagen, wo ist ein einziges Stück des grofsen griechischen Komödiendichters, welches nicht eben solche hochgetriebene oder übertriebene Situationen und Charaktere darbietet? Von dem Streifen an das Niedrige und Gemeine im Menschen will ich, was die Personen des Aristophanes betrifft, ganz schweigen. Sie streifen nicht blofs daran, sie greifen oft derb hinein. Und ist dies bei den Komödien eines Shakespeare, eines Molière etwa anders? Ist das Benehmen Petrucchios gegenüber dem trotzköpfigen Käthchen in der Widerspenstigen Zähmung“, ist der Charakter des Haushofmeisters Malvolio in ,,Was ihr wollt", sind die Doktoren in Molières „Eingebildetem Kranken“ und dieser selbst, um aus den zahllosen sich hier darbietenden Beispielen die ersten besten heraus zugreifen, nicht alles solche übertriebene, nach dem gewöhnlichen Mafsstabe gemessen unwahrscheinliche und unnatürliche Charaktere? Sie sind es so sehr, dafs man sagen kann, keines der Stücke der genannten drei grofsen Komödiendichter, die dadurch eben auch alle zu Possen gestempelt werden, sind ohne solche Überschwenglichkeiten. Ja sie müssen es sein, weil eben solche sogen. Übertreibungen notwendig zum Wesen der Komödie, namentlich der höheren

Komödie gehören. Dieselbe erblickt eben die Dinge und Personen, welchen sie strafend den Stempel des Lächerlichen aufdrücken will, im Hohlspiegel der Phantasie, und indem sie sie auf diese Weise ins Ungeheuerliche vergröfsert, handelt sie genau nach den Gesetzen des Dramas, welches, da es sich mehr als jede andere Dichtungsart an die Sinne, an die Augen und Ohren der Menschen wendet, diesen daher auch alles möglichst drastisch und plastisch, grofs und hervorspringend darzeigen mufs. Ist es doch mit der Tragödie nicht anders; denn die äufsere Gröfse und der äufsere Glanz der Könige und Kaiser, Prinzen, Prinzessinnen und heldenhaften anderen Personen, mit denen sie es zu thun hat, haben schlechterdings keine andere Bedeutung, als Exponenten ihres inneren Wertes zu sein und dadurch das Unheil, welches sie anrichten oder welches sie trifft, desto augenfälliger und ergreifender zu machen.

Nicht minder zu entschuldigen ist es, dafs die Posse, wie ihr vorgeworfen wird, an das Niedrige und Gemeine in der menschlichen Natur rühre. Ja sie mufs es geradezu, wenn sie ihrer Aufgabe als Komödie gerecht werden will. Um dies ersichtlich zu machen, ist es nötig, einen kleinen Streifzug in das Ästhetische zu thun und das Wesen des Komischen zu bezeichnen. Von diesem Wesen des Komischen sind schon viele Definitionen und zum Teil in einem so hochtrabenden philosophischen Jargon gegeben worden, dafs der natürliche Mensch eine gewisse Scheu empfindet, überhaupt darauf einzugehen. Ich will mich kürzer und einfacher fassen. Wie dasjenige tragisch ist, was uns traurig, so ist das komisch, was uns lustig macht. Traurig sind wir aber, wenn es uns übel, lustig, wenn es uns gut ergeht. Nun liegt es allerdings nicht in der Macht des dramatischen Dichters, es uns selbst wirklich gut oder übel ergehen zu lassen, wohl aber uns Personen vorzuführen, welche sich in einer üblen Lage befinden und aus Mitgefühl mit denen wir traurig gestimmt werden, wenn ihre üble Lage eine unverdiente, heiter aber, wenn sie verdient und dabei doch nicht so schlimm ist, dafs sie die in derselben Befindlichen geradezu zu Grunde richtet. Das Bewusstsein, um wie viel besser es uns ergeht als jenen, durch irgend eine Inkonvenienz oder Ausschreitung in eine üble Situation Geratenen ist es, welches in

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