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oisterdore verbracht unde verloren." Man sieht, dafs von Ratten keine Spur ist. Nun begegnen in der Volkssage unter der Gestalt der Mäuse, vielleicht auch der nahestehenden Ratten, * vielfach die Seelen der Menschen, wie u. a. die bekannte Hattosage, sowie die zahlreichen Hexensagen beweisen. In der Hamelner Märe könnte uns also ein Zug unter zwei verschiedenen Bildern vorliegen, welche späterhin deutelnd verknüpft wurden; die ältere Fassung der Sage würde dann dahin lauten, dafs die Kinder unter der Gestalt der Mäuse oder auch Ratten entführt wurden.

Der Name des Hamelner Berges Coggenberg, wofür auch Kockenberg, dürfte an den vorerwähnten sagenhaften Guckenberg erinnern; jedoch begegnet auch Koppenberg und sogar Kopffelberg, Köpffenberg. Er ist zweifelsohne ein Götterberg und geht daneben in den Begriff eines Totenberges, der Unterwelt über, wie denn die Rattenfängersage, entgegen den meisten bisherigen Sagen, nahe an die Totensagen rührt. Wer ist nun der Spielmann, Pfeifer, Dudelsackbläser, Rattenfänger? Entweder ein seelenhaschender Abgesandter eines Gottes, einer Göttin, Wuotans, der Fria, wie das Bergmännchen, der Zwerg in der Wormser Sage oder vielleicht der grofse Wuotan selber, welcher, wie wir gesehen, eifrig trachtet, sein Reich durch immer neue Seelengewinnung zu stärken. Manches dieser Anschauung ist auf den jüngeren Tod übergegangen, welcher gleich Wuotan zu Rosse erscheint und die Seelen auf dasselbe setzt.

Wesentlich ist in der Rattenfängersage die zauberhafte, wunderbar-mächtige Wirkung der Musik, durch welche die Seelen in das geheimnisvolle Reich gelockt werden. Schon bei Holda trafen wir denselben Zug. Von Wuotan heifst es in der Heimskringla": „Odhinn wufste auch von allen in der Erde verborgenen Schätzen, und er verstand die Lieder, durch welche die Erde, die Berge und Steine und Grabhügel sich öffneten;" auch das wunderkräftige Horn des Alps oder Zwerges Alberich

Oberon, welches alles tanzen macht, gehörte ursprünglich dem obersten Gotte an. Bekanntlich begegnet der Tod gleichfalls als munterer Spielmann und führt einen sinnum wirbelnden

* Vielleicht sind die Ratten nur durch Mifsverständnis, vielleicht auch durch die Verstümmelung des Eigennamens des Trägers der Sage zu „Rattenfänger" in die Sage gekommen?

Reigen, den Totentanz, auf, um sich durch Pfeifen und Geigen Gefolgschaft zu werben. Die Redart „auf dem letzten Loche pfeifen" für „sterben" ist entstanden aus dem Gedanken, dafs der Tod, oder umschreibend der Sterbende selber, die Töne auf der Flöte herunterspielt, bis mit dem letzten Loche der letzte Klang verhallt, und der Mensch dem Tode anheimgefallen ist.

In dem Büchlein „Der historische Kern der Rattenfängersage, von Dr. Otto Meinardus" sucht der Verfasser die Sage herzuleiten aus der Tanzwut, dem Veitstanze (St. Vitus?), welche zu grofsartigen Wandertänzen ausartete und zahlreiche Opfer kostete. Das hat eine grofse Wahrscheinlichkeit für sich und kann leichtlich der Ursprung der Rattenfängersage sein. Aber auch dies angenommen als die Sage, an eine bestimmte geschichtliche Thatsache anknüpfend, ausgebildet ward, verschmelzte man sie mit den älteren volkstümlichen Anschauungen, welche im unverwüstlichen Heidentum wurzelten. Der Grundzug der Sage ist uralt; dagegen ist nicht anzukämpfen.

Und nun zum Schlusse: Man sieht, dafs allen drei grofsen Sagen, der mit der Odenbergsage zusammenfallenden Kyffhäusersage, sowie der Tannhäusersage und der Rattenfängersage ein einziger grofsartiger Gedanke innewohnt: die Hoffnung auf Wiederkehr des zurückgedrängten Heidenreiches! Wenn wir nun dieses auch trotz aller christlichen Konfessions wirren jetzt nicht mehr herbeisehnen wollen und können, so dürfen wir doch getrost ausrufen: O käme die Zeit des alten, ungetrübten deutschen Volkstums wieder und machte der Kläglichkeit des zersetzenden politisch-religiösen Welschtums für immer ein Ende!

Beurteilungen und kurze Anzeigen.

Internationale Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft. Herausgegeben von Dr. F. Techmer, Dozent der allgem. Sprachwissenschaft an der Universität Leipzig. I. Band. Leipzig, Joh. Ambr. Barth.

Über die Entwickelung dieses höchst beachtenswerten Unternehmens berichtet Herausgeber S. XII: Durch seinen eigenartigen Studiengang wurde er von der Philosophie und Naturwissenschaft zu der Sprachwissenschaft geführt. Zunächst widmete er sich den neueren Sprachen, namentlich während eines fünfjährigen Aufenthaltes in Frankreich, England und Italien; später der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft und der Sprachenkunde. So entwickelte sich das folgende Programm für seine sprachwissenschaftliche Thätigkeit:

Begriff (weiterer der Ausdrucksbewegungen, engerer der artikulierten Sprache), Geschichte, Methode (induktive) der Sprachwissenschaft. Einteilung: I. Naturwissenschaftliche Seite (Beziehungen zur Anthropologie). 1. Akustische Ausdrucksbewegungen (Phonetik). Physikalisches. Anatomie, Physiologie, Pathologie des gesamten Sprachorgans und Ohres. Artikulationsstörungen. Taubstummheit. Physiologische Erklärung des Laut- oder vielmehr Artikulationswandels und der Lautgesetze in ihrem steten Wirken.

2. Optische Ausdrucksbewegungen (Graphik). Physikalisches. Anatomisches. Physiologie der Mimik, der Gesten (besonders der der Taubstummen), der Schrift. Pathologie der Schrift. Tastbare Ausdrucksbewegungen. Blindenschrift. Laura Bridgmans Fall u. ä. 3. Gegenseitiges Verhalten der akustischen und optischen Ausdrucksbewegungen. Methodik des Taubstummenunterrichts. Die Schrift unabhängig vom Laut und im Dienste desselben. Orthoepie und Orthographie. Principien der Transskription. Psychologisches. II. Psychologische Seite (Psychik). Beziehungen zur Psychologie. Wechselwirkungen zwischen Sprache und Seele. Die psychologischen Vorbedingungen und Gesetze der Entwickelung (Erzeugung und Veränderung) von:

1. Artikulation (Artikulationssymbolik und -verschiebung),

2. Laut (Lautpsychologie und -verschiebung),

3. Wurzel (Definition derselben),

4. Wort (Semasiologie und Bedeutungswandel),

3. Satz (vergleichende Syntax inkl. der der Taubstummensprache).

Dem entsprechend die Psychologie der optischen Ausdrucksbewegungen.

Analogie. Wichtigkeit der Psychik für die etymologische Forschung. Ideologische Beiträge um so mehr wünschenswert, als diese Seite gegenüber der naturwissenschaftlichen und historischen bisher zu sehr vernachlässigt oder vorwiegend a priori behandelt worden, und die Resultate letzterer Methode sich bei den aufsenstehenden Kreisen einzubürgern anfangen.

III. Historische Seite (Historik).

1. Phylogenetische Entwickelung der Sprache.

Ursprung und vorhistorische Entwickelung. Sprachwissenschaft und Darwinismus. Beziehungen zur Mythologie. Historische Entwickelung. Historisch vergleichende Methode. Beziehungen zur Ethnographie. Begriff der Tochter- und Mischsprache, der Mundart und Schriftsprache, der Sprachfamilie und (Volks-)Sprache. Charakteristik der Sprachen in ihren verschiedenen Entwickelungsphasen. Grammatik und Wörterbuch. Merkmale der relativen Vollkommenheit: Einheit und Gliederung (funktioneller Wert der Glieder in Rede, Satz, Wort und Laut). Sprachenkunde.

Einteilung der Sprachen; naturwissenschaftliches (phonetisches), psychologisches, historisches Princip. Ungebildete und gebildete, lebende und tote Sprachen. Sprachwissenschaft und Philologie; Paläontologie. Die ungebildeten und lebenden Sprachen hier besonders zu berücksichtigen. Die Missionare und Sprachlehrer zu überzeugen, dafs sie in vieler Beziehung gemeinsame Interessen mit den Sprachforschern haben. Nach jeder Seite Erweiterung der induktiven Grundlage zu erstreben.

2. Ontologische Entwickelung der Sprache.

Kindersprachen. Erlernung der Muttersprache (Vergleichung mit den verwandten Mundarten) und fremder Sprachen. Metho lik des Sprachunterrichts. Streben des Individuums zum Ganzen (Genus). Sprache und Menschheit. Ideen einer Universalsprache und -schrift.

Zur Ausführung dieses Programms begann der geschätzte Herausgeber mit der naturwissenschaftlichen Seite und veröffentlichte als I. Band einer „Einleitung in die Sprachwissenschaft: Die akustischen Ausdrucksbewegungen" (Phonetik) in zwei Teilen, 1880, ein treffliches Werk, welches im Archiv LXVI, 107 besprochen und als vollständigstes Repertorium zur vergleichenden Physiologie der Stimme und Sprache anerkannt worden ist. Bei weiterer Arbeit sah Herausgeber, dafs zur Ausführung des obigen Programms die Kraft eines einzelnen nicht ausreichend sei, dafs es des Zusammenthuns vieler Forscher, womöglich aller Nationen bedürfe, dafs Teilung der Arbeit und doch wieder Einheit des Planes notwendig scien". So entwickelte sich der Gedanke der Internationalen Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft und der folgende Plan dazu:

„Die Internationale Zeitschrift für allgemeine Sprachwissenschaft erscheint in Heften von je ca. 15 Bogen Roy.-80 zum Abonnementspreise von 12 Mark für den Band von zwei Heften, welche letztere, soweit als thunlich, je halbjährlich ausgegeben werden sollen. Aufser Originalarbeiten in deutscher, englischer, französischer, italienischer, lateinischer (ganz ausnahmsweise auch in anderer) Sprache werden Abdrücke oder Übersetzungen wichtiger, aber schwer zugänglicher Abhandlungen, Auszüge, Besprechungen, Bibliographie, Mitteilungen und buchhändlerische Anzeigen, aufserdem in jedem Bande das Bild eines der Hauptvertreter der Sprachwissenschaft, zunächst das von W. v. Humboldt, geboten werden.“

„Die Zeitschrift soll rein der Wissenschaft dienen ohne Rücksicht auf Nationalität, Partei oder Schule. Gegensätze in den Ansichten werden nie ganz zu vermeiden sein; sind sie ja doch ein Zeichen des Lebens in der Wissenschaft und eine Bedingung ihres Fortschritts. Doch sollte in jeder wissenschaftlichen Kritik Urbanität herrschen und im internationalen Verkehr mehr als das; hier ist Humanität notwendig."

Auf Grund dieses Plans und des obigen Programms haben die berühmtesten Sprachforscher ihre Mitarbeit zugesagt, die Hauptvertreter der allgemeinen Sprachwissenschaft, der einzelnen Teile derselben und der nächst verwandten Wissenschaften.

Des ersten Bandes erste Hälfte erschien mit Anfang 1884. Das neue Unternehmen ist vielerseits besprochen worden und hat nach dem vom Verleger versandten Auszug der Besprechungen reiche Anerkennung gefunden.

Die zweite Hälfte des ersten Bandes ist Ende 1884 herausgekommen. So sind wir nunmehr im stande zu prüfen, wie weit der abgeschlossene erste Band dem Programm entspricht. Wir halten uns dabei Schritt für Schritt an die Disposition des Herausgebers.

Zur Geschichte der Sprachwissenschaft hat Pott Beiträge geliefert mit seiner Einleitung in die allgemeine Sprachwissenschaft" S. 1-68, 329-354. I. Über die naturwissenschaftliche Seite, und zwar

1. Über die akustischen Ausdrucksbewegungen handelt Techmer: „Naturwissenschaftliche Analyse und Synthese der hörbaren Sprachen" S. 69–170.

2. Über die optischen Ausdrucksbewegungen Mallery: Sign Language

S. 193-210.

"

3. Über das gegenseitige Verhalten beider, besonders über die Principien der Transskription Techmer: Transskription mittels der lateinischen Kursivschrift. Vorschlag zum möglichst einheitlichen Gebrauch in der internationalen Zeitschrift" S. 171-192.

II. Die psychologische Seite, namentlich des Wortes, erörtert W. v. Humboldt: „Grundzüge des allgemeinen Sprachtypus. Wörtervorrat" S. 383-411. Die Analogie Kraszewski: „Principien der Sprachentwickelung" S. 295-307.

III. Historische Seite.

1. Phylogenetische Entwickelung der Sprachen.

Vorhistorische Entwickelung, Sayce: The Person-endings of the Indo-european verb S. 222-225. Beziehungen zur Mythologie: Max Müller, „Zephyros und Gahusha" S. 215-217. Mundart: Lundell, „Sur l'étude des patois" S. 308-328.

Sprachenkunde: v. d. Gabelentz, „Zur grammatischen Beurteilung des Chinesischen" S. 272-280. Himly, „Über die einsilbigen Sprachen des südöstlichen Asiens" S. 281-294. Radloff, „Zur Sprache der Komanen" S. 377-382. Donner, „Über den Einfluss des Litauischen auf die finnischen Sprachen" S. 257-271. Brugmann, „Zur Frage nach den Verwandtschaftsverhältnissen der indogermanischen Sprachen" S. 226-256.

Einteilung der Sprachen: Adam, „De la catégorie du genre" S. 218-221.

2. Ontologische Entwickelung der Sprache. Methodik der Sprach-, specieller des Leseunterrichts: Radloff, „Lesen und Lesen lernen" S. 355-376.

Wir erkennen somit, dafs der erste Band den einzelnen Teilen des Programms in voller Weise gerecht wird; niemand könnte verlangen, dafs er es erschöpfen sollte. Das ist ein Ideal, welchem sich die Zeitschrift erst in weiterer Folge nähern kann, wozu wir ihr gedeihlichen Fortgang wünschen.

Die Beiträge des ersten Bandes sind zumeist in deutscher, zum Teil in

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