網頁圖片
PDF
ePub 版

Ein 40jähriger, athletisch gebauter Mann mit langgezogener Nase und eiförmigem Gesicht klagt, dass er derzeit bereits zum 3. Male in einen Zustand der Melancholie verfallen sei. Alles widere ihn an, er könne sich mit nichts beschäftigen, sein Schlaf sei seit Beginn der melancholischen Verstimmung vor 8 Monaten wieder wie in den andern 2 melancholischen Phasen vollständig gestört. Er trauere den ganzen Tag und die Nacht dahin, finde an nichts Gefallen und sei erotisch völlig unempfindlich. Alles komme ihm wie Mist vor. Im Jahre 1918 sei er an Manie erkrankt. Wie ein Champagnerrausch sei es über ihn gekommen. Er dachte, er müsse sein Vaterland retten, er sei dazu auserkoren, müsse Reichsverweser werden; er habe auch versucht Verhandlungen anzubahnen, hatte grosse Entwürfe für Kolossalbauten ausgearbeitet, bis ihn seine Familie in eine Irrenanstalt sperrte. Einige Wochen nachher verfiel er in einen Zustand der Depression, der 9 Monate währte und ganz wie der gegenwärtige verlief.

Kaum fühlte er sich besser und dachte wieder an eine regelmässige Arbeit, als die Manie wieder eintrat, ungefähr die gleiche Zeit wie das erstemal dauerte, um dann der melancholischen Phase Platz zu machen. Fast unmittelbar an diese reihte sich das 3. manische Zustandsbild, welches von der gegenwärtigen Melancholie abgelöst wurde.

Die Ausdrucksform der völligen Entmutigung dürfte kaum zu übersehen sein. Der Lebenslauf dieses Mannes bot genug Verlockungen dazu und Bestätigungen dafür. Er war das Kind einer reichen Familie und hatte zum Taufpathen einen höchsten Würdenträger des Staates. Seine Mutter, eine ehrgeizige Künstlernatur, erklärte ihn fast in der Wiege schon als unvergleichliches Genie und stachelte seinen Ehrgeiz in unerhörtem Masse. Er wurde seinen andern Geschwistern weit vorgezogen. Seine Phantasien in der Kindheit gingen daher ins Ungemessene. Am liebsten spielte er Feldherr, trommelte eine Anzahl Jungens zusammen und errichtete sich einen Feldherrnhügel, von dem aus er die Schlachten leitete. In der Kindheit schon und später in der Mittelschule empfand er es tief schmerzlich, wenn ihm nicht alles leicht und glänzend von der Hand ging. Von da an begann er seinen Aufgaben auszuweichen und vertrödelte die Zeit hauptsächlich mit Tonarbeiten. Wir werden sehen, wie diese Spiele der Jugend zum Ausgangspunkt seiner Berufswahl wurden. Er ging später zum Militär, verliess aber bald seine Stellung, um sich der Bildhauerkunst zu widmen. Als er auch da nicht gleich zu Ruhm und Ehren gelangte, sattelte er abermals um und wurde Landwirt. Als solcher verwaltete er die Güter seines Vaters, liess sich in allerlei Spekulationen ein und stand eines Tages vor dem völligen finanziellen

Zusammenbruch. Als er wegen seiner waghalsigen Unternehmungen als verrückt gescholten wurde, gab er das Rennen auf und zog sich zurück.

Da kam die grosse Geschäftskonjunktur der Nachkriegszeit,-und alle seine waghalsig begonnenen, schon verloren geglaubten Unternehmungen begannen aufzublühen. Geld strömte ins Haus und überhob ihn jeder Sorge. Auch sein Prestige schien gerettet. Nun hätte er sich wieder nützlicher Arbeit widmen können. Da brach sein manischer Anfall aus und verhinderte jede Tätigkeit. Die gute Zeit traf ihn bereits im Zustande gänzlicher Entmutigung.

Aus seinen Jünglingsjahren erinnert er sich an ein starkes Prädestinationsgefühl. Selbst Gedanken der Gottähnlichkeit wagten sich an ihn heran. Seine Zimmer waren über und über mit Napoleonbildern geschmückt, die wir als Beweis seines Strebens nach Macht gelten lassen dürfen. Als ich ihm einst zur Illustration seiner Bewegungslinie darauf vorwies, dass er einen Helden in seiner Brust trage, den er seit seiner Entmutigung nicht mehr auf die Probe zu stellen wage, erzählte er mir betroffen, dass er über der Türe seines Arbeitszimmers einen Spruch Nietzsches angebracht habe, der folgendermassen lautete: "Bei allem was dir heilig ist bitte und beschwöre ich dich: wirf den Helden in deiner Brust nicht von dir."

In einer der Hauptfragen des menschlichen Lebens, in der Berufsfrage, sehen wir deutlich seine fortschreitende Entmutigung infolge seines unerfüllten und unerfüllbaren Ehrgeizes. Wir können sie, wenn auch nicht billigen, so doch begreifen. Wie war es mit der zweiten Hauptfrage, mit der socialen Verknüpftheit von Mensch zu Mensch? Man konnte leicht vorhersagen, dass er auch hier scheitern musste, dass sein Hochmut ihn kontaktunfähig machen musste, so dass er im Grossen und Ganzen niemandem zu Lieb und niemandem zu Leid in einer isolierten Stellung verharrte. Selbst seine Geschwister und seine Kameraden wurden ebensowenig in seiner Nähe warm wie er in ihrer. Nur zuweilen zeigte sich im Beginne einer neuen Bekanntschaft ein anfängliches Interesse, um bald wieder abzuflauen. Er kannte die Menschen nur von ihrer schlechten Seite und hielt sie ferne. Dies und sein Ziel der Ueberlegenheit zeigte sich auch in seinen satirischen, scharf zugespitzten Pointen.

In der dritten Hauptfrage des Lebens hatte er schwer Schiffbruch gelitten. Er hat wohl niemals geliebt und kannte die Frau nur als Objekt. So kam es, dass er in jungen Jahren an Lues erkrankte, an die sich unvermerkt eine Tabes mit leichten Erscheinungen schloss. Dies trug nicht wenig zu seiner weiteren Entmutigung bei. Jetzt sah er sich von allen Triumphen ausgeschlossen, die er sich sonst im ersten Ansturm

bei Frauen, beim Preisfechten, Wettschwimmen und bei Hochtouren geholt hatte.

Wie er die Menschen sich entfremdet hatte, stand er nun selbst als Fremdling in diesem Leben, das ihm nirgends einen Kontakt bot. Seinen Irrtum einzusehen, zu verbessern war er nicht fähig. Sicherlich hinderte ihn auch sein Stolz, der Held in seiner Brust daran. So fand ich ihn als einen Menschen, der nach einem glänzenden, ja fanatischen Auftakt immer nachgelassen hatte, sobald sein Ehrgeiz zu fürchten begann.

Sobald ich den Rythmus seines Lebens, wie er unter dem Druck seines ehrgeizigen Strebens zustande gekommen war, erkannt hatte, wusste ich auch, dass alle seine seelischen Leistungen im Sinne dieses Rythmus verlaufen mussten. Um die Probe darauf zu machen, liess ich mir seine Schriftzüge zeigen.

Fest gemauert in der Erden Stego dei Form aus Letzen

febrannt

Man sieht auch hier, und zwar ohne graphologische Deutungskunst, den starken Auftakt und das ständige Schwinden in der Grösse der Buchstaben in jedem Wort.

Ebenso sinnfällig äussern sich die entfernten Pole seiner Bewegungslinie in der Wahl seiner Stoffe, die er plastisch gestalten wollte. Einen Sonnenan beter wollte er schaffen, der mit ausgebreiteten Armen nach dem Höchsten greift, und die Trauer, die tief zur Erde gebückt ein verlorenes Glück beweint. Doch nicht einmal an die Vorarbeiten ist er geschritten. Sein Ehrgeiz lebte weiter, war aber ohnmächtig geworden und verbarg sich.

Alles was dieser impotent gewordene Ehrgeiz noch gestalten konnte, zumal der Kontakt zur Aussenwelt verloren gegangen war, sah man in der Darbietung seiner Psychose. Sie beginnt mit dem manischen Auftakt, der brüllend den Mut zur Leistung beweisen will, gerade aber durch sein Ungestüm und durch seinen Widerspruch gegen die Logik uns die Entmutigung verrät. Im Rausch seiner Machtlüsternheit rast er dahin und zwingt die Umgebung zur Korrektur, zur Obsorge und zur Hemmung, die der Kranke selbst nicht aufbringen darf, weil sein verwundeter Ehrgeiz keine Handlung im Sinne des common sense duldet.

Nun folgt das Schwinden des Kraftaufwandes im Zwange seiner Lebenslinie. Die Entmutigung in der melancholischen Phase liegt klar zutage. Wo steckt nun der Ehrgeiz? Alles ist schal. Nichts kann ihn bewegen, ihn erfreuen, nichts wirkt auf ihn. Allem steht er kalt und fremd gegenüber wie annähernd schon in seinen jüngeren Jahren. Die Nichtigkeit alles Irdischen, die Wertlosigkeit aller Menschen, aller menschlichen Beziehungen ist die Rache seines verwundeten Ehrgeizes, mit der er sich jeder Wirkung und Kraft der andern entzieht, indem er sie leugnet.

Und je mehr er über diese Entwertung klagt, umso deutlicher stellt er sie fest. Statt sich zu erhöhen, erniedrigt er die andern. Dem irrtümlich allzu hoch gesteckten Ziel seiner frühen Kindheit bot die Wirklichkeit unlösbare Schwierigkeiten. Nur im Rausch der Phantasie und in leicht und rasch erworbenen Triumphen genügten sein Mut und seine Ausdauer. Nach individualpsychologischen Massen gemessen war er immer ein Typus des Entmutigten. Sein manisch-depressives Irresein ist der Ausdruck einer stärkeren Entmutigung bei gleichbleibendem Rythmus seiner Bewegungslinie.

Zum Rätsel des cyklischen Verlaufes dieser Erkrankung sollen in einer späteren Arbeit noch einige Aufklärungen folgen.

PROGRESS IN INDIVIDUAL PSYCHOLOGY1

BY ALFRED ADLER (VIENNA).

WITHIN the last few years, in the course of our analytical research, it has become possible to develop our particular points of view with increasing clearness. It is now time that they should be published and submitted to public scrutiny. This is true above all of our fundamental conception of Individual Psychology; it is not from the various forces and phenomena which may be revealed in the mental life, whether they be empirically arrived at or discovered by the analytic method, that we learn to understand a personality. Different individuals may use these forces and phenomena in different ways or may make no use of them at all. What has brought our line of thought into contrast with those of other schools of psychology and of the study of humanity is our postulate that from them we can at best learn something of the forces which exist, but nothing of their application and the manner in which they are employed, nor yet of their trend. Now our mental life is not a matter of simple existence but is subject to certain impulsions. It is through this urge towards processes directed to a given end that the whole mental life receives an impetus in a forward direction, and in this stream of processes all the categories and forces belonging to our minds receive their mould, their direction and their characteristic form.

The development of the mental life of man is accomplished with the help of a fictive teleology, through the proposing of a certain end, under the pressure of a teleological apperception. Thus it finally becomes evident that in every mental phenomenon we discover anew the characteristic of pursuit of an aim and with this characteristic all our powers, faculties, experiences, wishes and fears, defects and capacities fall into line. It follows that a true understanding of a mental phenomenon or of a personality is attained only when we take a comprehensive view, the basis of which is teleological.

From this we conclude that every individual acts and suffers in accordance with his peculiar teleology, which has all the inevitableness of fate, so long as he does not understand it. Its springs may be traced to his earliest childhood and nearly always we find that they have been

1 Translation by Cecil Baines.

« 上一頁繼續 »