图书图片
PDF
ePub

III.

§ 21. Hinsichtlich der Verwandtschaft und Beziehung des Räthsels zu Dichtungen anderer Art kommen in Betracht: die Gnome, das Epigramm, die Anecdote und das Mährchen, das Sprichwort, das Symbol, das Lehrgedicht, die Ballade und das Lustspiel. Von diesen nun insbesondere (§. 22-31).

§ 22. Die Frage: ob und in wiefern das Räthsel den Gnomen beigezählt werden kann, hat Rhode*) folgendermaßen beantwortet: ", contorta ista et sedulo obsurata ingenii ludicra, quibus prisci omnes indulsere, penitius si lustraveris, ad duo genera referenda deprehendes: quorum alterum in eo maxime poni videtur, ut rem quandam notis describat, quae primo intuitu nulli rei, penitius perlustratae pluribus accomodandae videntur, manente vel sic inexplicabili aliquo, donec quis ipsissimam rem, quae isto involucro tegeretur, conjectando assecutus fuerit. Illud genus, quamquam ei et aetate, usurpato quippe apud vetustissimos, origine, innixo scilicet identidem experientiis, ornatu denique poetico cum gnomis, quodammodo conveniat, tamen cum nullam in mores vitamque utilem disciplinam contineat (qua in re vis gnomarum ponitur maxime), at natura rem qualemcumque ingeniose torqueat, et lucrum a victis aucupetur, non est cur quis cum gnomis confundat. Alterum est aenigmatum genus, gnomarum dictionem invadens, saltem forma sua et ornatu gnomas induens, ita tamen ut morale argumentum servari cernatur. Aenigmata hujus generis, ad gnomas utique referenda, haud pauca reperiuntur apud ipsos graecos gnomicos, et verum etiam apud Hebraeos, quippe quorum incalescens saepius et minime vulgaria crepans dictio in hujus generis delicias ceu in ornatum quemdam insignem nititur, propendente in hoc ipsum orientalium ingenio, quod severius et nugas prorsus spernens in lusu adeo seriis rebus occupari amet. Accedit apud hos moris fuisse ut difficilia, sed gravissimi momenti problemata sibi mutuo in concessibus sapientes proponerent; quorum vestigia ut in pluribus forsan S. C. libris legi poterant, ita in proprie dictis gnomicis admodum sunt conspicua".

*) De veterum poetarum sapientia gnomica, Hebraeorum et imprimis Graecorum; Havn. 1800, P. I. Cap. 1. §. 10.

§ 23. Mit dem Epigramme hat das Räthsel sehr viel Aehnlichkeit, denn es ist, wie Kurz richtig sagt, recht betrachtet, doch nichts Anderes als eine Inschrift auf irgend einen Gegenstand*), es stimmt mit der Art von Epigramm zusammen, in welchem ein bedeutendes Objekt durch Angabe seiner wesentlichsten Eigenschaften geschildert wird. Doch darin ist es vom Epigramm verschieden, daß dieses dahin strebt, den Gegenstand zur schnellsten Anschauung zu bringen, während das Räthsel ihn so dar= zustellen sucht, daß er dem Leser nicht sogleich, sondern erst nach größerer oter geringerer Bemühung anschaulich wird. Aus dieser Verwandtschaft ist es erklärlich, warum manche Epigramme als Räthsel gelten könnten, wenn man ihnen die Ueberschrift nimmt, oder wenn nur einzelne Bezeichnungen verwischt oder verändert werden, während wiederum Räthsel zu vollkommenen Epigrammen werden könnten, sobald nur das ganz Formelle der Räthsel, z. B. die Auffoderung zu errathen, getilgt würde. Betrachten wir z. B. folgende Epigramme, so wird man sie ohne Zweifel zu den Räthseln rech= nen, wenn die Ueberschrift hinwegbleibt; so zwei Epigramme von Lauterbach **), das erste mit der Ueberschrift „de uxore Lothi in statuam salis conversa", und das zweite mit der Ueberschrift ,,Niobe in marmor mutata":

1. Quod spectas oculis, viator, hoc est
Sepulcrum, nec habet suum cadaver:
Quod spectas oculis, viator, hoc est
Cadaver, nec habet suum sepulcrum.
Sepulcrum tamen est, et est cadaver.

2. Est scelerum justus vindex, est ultor iniqui,
Ceu potes exemplo doctior esse meo.

Dum multo felix natorum sanguine vivo,
Offenso tamen numine fio lapis ***).

Auch folgendes Epigramm von Owen auf den Seidenwurm (Bombyx) kann geradezu für ein Räthsel gelten, wenn man die Ueberschrift hinwegläßt:

*) Gervinus (Geschichte der deutschen Dichtung, 4. Aufl. 3 B. Leipz. 1853, S. 312) sagt: in Lessing's Auffassung würde man sagen, die Räthsel seien Inschriften, die das Denkmal, dem sie gesetzt seien, zu rathen aufgäben“.

"

**) Epigram. Francof. 1562. Lib. I. Derselbe hat auch eine Sammlung von Räthseln herausgegeben, die noch in § 96 erwähnt wird.

***) M. s. das Räthsel von Angelus Politianus, in der § 93 erwähnten aenigmatographia von Reusner, woselbst sich auch die Erklärung von der Sage der Niobe findet.

Arte mea pereo, tumulum mihi fabricor ipse,

Fila mei fati duco, necemque neo.

Auch in der Uebersetzung ist dieses Epigramm ohne Ueberschrift ein Räthsel; so in der deutschen Ueberseßung:

Meine Kunst verdirbt mich, ich selber bereite das Grab mir,
Spinne meines Geschicks Fäden, mir web' ich den Tod.

Eben so in der französischen Ueberseßung von Le Brun:

Je construis mon tombeau, mon art finit mon sort,
Je travaille sans cesse, et je file ma mort.

Man findet übrigens auch, daß alte Inschriften, besonders auf Büsten und Statuen, sich dem Räthsel nähern; so steht auf einer Büste des Alcibiades, welche Visconti*) beschrieben und abgebildet hat:

Ειςιν μοι δυ αδελφοι ομωνυμοι δυ ομοιοι

Οι μέχρι μεν ζωσι τον ηλιον εκ εσορωσι

[blocks in formation]

Visconti sagt darüber: ", questi versi appartengono evidentemente ad alcuno di quegli enimmii o indovinelli, che i greci appellaron conproprio nome grifi, che furono molto in voga ne' primi periodi della lor cultura, comme lo erano gia da secoli antichissimi presso la sapienza orientale".

§ 24. Zur Anecdote und dem Mährchen steht das Räthsel in so ferne in einer gewissen Beziehung, als das Mährchen, sowie die Anecdote besonders geeignet sind, in Form eines Räthsels gegeben zu werden. Es scheint, so zu sagen, über das Räthsel die Anecdote oder das Mährchen gebaut, diese des Räthsels wegen geschaffen worden zu sein, so daß dann das Ganze ein Räthselmährchen oder eine Räthselanecdote genannt werden kann. Beispiele:

1. Ein reicher Mann hatte eine Tochter mit Namen Elisabeth. Ein junger Mann, der sein reichliches Auskommen hatte, bot ihr seine Hand, er war aber dem Vater nicht reich genug und erhielt einen abschlägigen Bescheid. Bald darauf verlor der reiche Mann sein Vermögen, und nun ließ er dem abgewiesenen Freier die Hand seiner Tochter anbieten; aber dieser erwiederte, er wolle ihm auf diesen Antrag mit zwei Worten antworten, und diese Worte

*) Il Museo Pio-Clementino; descritto da Ennio Quirino Visconti, fol. Rom. 192. Tom. VI, p. 46. Tab. 31.

**) Ich habe zwei Brüder gleichnamig zwei sich gleichsehend

Die so lange sie leben die Sonne nicht sehen
Dann aber

[ocr errors]
[ocr errors]

lägen in dem Namen seiner Tochter. Welche Worte waren das. 2. Ein Student zu Heidelberg, welcher, wie oft, kein Geld hatte, verlangte solches von seinem Vater, erhielt aber von diesem eine abschlägige Antwort mit dem Bemerken, er habe erst vor Kurzem Geld erhalten. Der Studiosus ließ aber von seinem Bitten nicht nach und machte seinem Vater den Vorschlag, er wolle ihm ein Räthsel aufgeben, wenn er (Vater) es errathe, so brauche er ihm kein Geld zu geben, errathe er es aber nicht, so müsse er ihm solches geben. Der Alte ging den Vorschlag ein, und der Studiosus gab ihm das Räthsel auf: was wünscht ein Studiosus von Heidelberg? Die Antwort muß im Namen dieser Stadt liegen.“ 3. Ein Verbrecher wurde zum Galgen geführt, und, als er schon hinaufgezogen war, gab er ein Zeichen und bat, noch einmal sprechen zu dürfen, was ihm erlaubt wurde. Da sprach er folgendes Räthsel: „Hoch hing ich, sieben Lebendige fing ich; einen Todten sah ich dabei: ihr Herren, rathet was das sei; und könnt ihr es nicht erdenken, so wollt mir das Leben schenken*).“ Die Richter besannen sich lange und konnten das Räthsel nicht lösen; da versprachen sie ihm, das Leben solle ihm geschenkt sein, wenn er ihnen die Auflösung sage. 4. Ein anderer zum Tode Verurtheilter, dem die Richter das Leben schenken wollten, wenn sie ein von ihm aufgegebenes Näthsel nicht errathen würden, gab ihnen folgendes Näthsel auf: „ich ging einmal aus, da fand ich einen Todten, in diesem Todten sieben Lebendige, und diese Lebendige machten Einen frei." Die Richter konnten dies Räthsel nicht auflösen, und gaben den Verurtheilten frei. 5. In England war eine Vermählung, welcher zwei Männer, zwei Weiber, zwei Brüder und zwei Schwestern, ein Vater, eine Mutter, ein Sohn, eine Tochter, und eine Tante beiwohnten, und in Allem waren doch nur vier Personen anwesend. Durch diese Vermählung mußte der Neuvermählte seinen Großvater für seinen Vater, seinen Vater für seinen Bruder, seine Mutter für seine Schwester anerkennen, und die Neuvermählte mußte ihre Schwester Mutter nennen. 6. Als du noch lebtest und auch ich, da hättest du gerne mich; nun bist du todt und hast mich, und ich muß sterben, was hilft es dir**)? 7. Ein Gensdarm hatte drei Personen zu transportiren, die A, B und C heißen sollen, und von denen A und C zwar einig waren, aber A und B, und auch wieder B und C gegen einander so erboßt waren, daß sie sich ohne Aufsicht getödtet hätten. Unterwegs kamen sie an einen Fluß, über welchen sie auf einem kleinen Kahne, der aber nur zwei Personen auf einmal aufnehmen konnte, fahren mußten. Der Gensdarm kam anfangs in Verlegenheit, wie er den Fluß wohl passiren könne, weil er die zwei Feinde A und B, oder B und C an einem Ufer des Flusses nicht

*) In der Mark heißt es so:

„Sauge stout it,

Siemen lebändige fant it,

En Dauen was derby.

It Haeren, könt it et nit denken,

Malit it my et Liaewen schenken“.

**) In der Mark heißt es: „Doa diu noch liäwedes un of ik, da hästu gärne hat mi; niu büstu daut un hiäs mi, un iek mot stiärwen; bat helpet et di?"

allein bei einander lassen durfte; endlich aber verfiel er auf ein Mittel, wo er jederzeit zugegen war, wenn sich zwei Mann von den genannten Feinden zusammen befanden. Wie geschah die Ueberfahrt? 8. In einer Gesellschaft saßen beisammen: ein Großvater, zwei Väter, zwei Mütter, vier Kinder, drei Enkel, ein Bruder, zwei Schwestern, zwei Söhne, zwei Töchter, zwei verheirathete Männer, zwei verheirathete Frauen, ein Schwiegervater, eine Schwiegermutter und eine Schwiegertochter. Addirt man alle diese Personen zusammen, so ergibt sich zwar die Summe von sechs und zwanzig, allein es waren im Ganzen doch nur sieben Personen. Wie ist das zu verstehen? 9. Nosa, ein sehr reiches Mädchen, hatte sich vorgenommen, Niemanden zu heirathen, von dem sie nicht ganz gewiß sei, daß er sie glücklich machen würde. Der arme Commis Edmund, ihr Anbeter im Stillen, hatte sich vorgenommen, eine reiche Frau zu heirathen; er war fest entschlossen, überall anzuklopfen, wo er Geld vermuthen könne, aber sich nicht zu verlieben, bevor er die Ueberzeugung gewonnen hätte, glücklich, d. i. reich zu werden. Einst war Johanna, Edmunds Schwester, bei Rosa zum Thee geladen, und hier gelang es der Johanna sich in den Busen Rosa's als intime Freundin einzunisten. Rosa erschloß ihr Herz, sie erzählte der Johanna, welchen Eindruck die Prinzessin Turandot auf sie gemacht habe, und daß sie gewillt sei, in entgegengesetzter Weise über ihre Hand zu verfügen: „nur derjenige, so erläuterte sie ihrer Rede dunklen Sinn, nur derjenige soll meine Hand gewinnen, welcher mir ein Räthsel, oder, was jetzt modern ist, einen Rebus aufgeben kann, dessen Lösung einfach, mir aber unmöglich ist; ein solcher Mann kann nicht anders als geistreich, ein geistreicher nur liebenswürdig par excellence, und wird vor Allen im Stande sein, mich glücklich zu machen“. Johanna verschloß dieses in ihrem Herzen, d. h. sie erzählte es ihrem Bruder insgeheim. Aber es waren noch andere Zuhörerinnen bei diesem Ausspruche, die verschlossen ihn nicht in ihrem Herzen, sondern erzählten ihn Jedermann. So kam es nun, daß Rosa mit Charaden, Logogryphen, Palindromen und Rebus ohne Zahl überschüttet wurde; aber alle, noch so schwierigen Lösungen gelangen ihr. Aber ihre Stunde schlug. An ihrem Geburtstage erschien Edmund, wünschte ihr Glück und überreichte ihr einen Blumenstrauß von eigenthümlicher Zusammensetzung mit den Worten: „dies ist mein Rebus, oder mein Selam vielmehr; wann soll ich die Lösung von ihnen hören?" Rosa flüsterte „kommen Sie heute Abend zum Thee“, in der Meinung ihn dann mit der Lösung überraschen zu können. Der Strauß war ganz einfach eine Rose mit Schierling umwunden. Die Theegesellschaft war versammelt; nur Rosa fehlte; endlich erschien fie, bleich, zitternd, mit unficherer Haltung. Edmund triumphirte; die Verlobung wurde noch an demselben Abende gefeiert*).

[Auflös. 1. Durch Versetzung der Buchstaben in dem Worte Elisabeth erhält man die Worte „behalte sie“. 2. Wenn man die Buchstaben des Wortes Heidelberg versetzt, so erhält man die Worte Geld herbei“. 3. Der Ver brecher sagte: „als ich hinaufgezogen wurde sah ich auf dem Galgen ein Nest

*) Münchner fliegende Blätter, 1858, Nr. 681.

« 上一页继续 »