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Ueber das Räthsel ein eignes Werk zu schreiben, mag wohl von Manchem, der dasselbe nur eines oberflächlichen Blickes würdigt, für ein unbedeutendes Unternehmen gehalten, oder die Meinung aufgestellt werden, es sei Schade, Zeit und Mühe einem so unbedeutenden Gegenstande zu widmen. Dem ist aber nicht so, und es muß uns im Gegentheile gerade auffallend erscheinen, daß fast alle Verfasser von Werken über Dichtkunst das Räthsel entweder gar nicht, oder nur mit einigen Zeilen erwähnt haben. Dünkten sie sich vielleicht zu vornehm, um einem solchen ihnen unbedeutend scheinenden Gegenstande einige Aufmerksamkeit zu schenken? Diesent wollen wir folgende Worte Wieland's zurufen: die Räthsel haben gar feine Apologie vonnöthen. Machten sich nicht vor Alters die Könige und weisen Männer der berühmtesten Völker ein Geschäft darans, Räthsel zu erfinden und einander zum Errathen zuzuschicken? Kam nicht die Königin von Saba (aus deren Liebesgeheimnissen mit dem König Salomo noch die heutigen Beherrscher von Abyssinien entsproffen zu sein stolz find) mit großem Pomp ausdrücklich nach Jerusalem, um den Scharfsinn und die Gelehrsamkeit des jungen Fürsten, wovon der Ruhm sich schon in allen Ländern gegen Morgen und Mittag verbreitet hatte, durch Räthsel auf die Probe zu stellen? Rettete Dedip nicht das ganze thebanische Land vom Untergang, indem er das berühmte Räthsel der Sphynx errieth? Was braucht es weiter Zeugniß? Wir werden uns doch nicht einbilden wollen zu weise für ein Spiel zu sein, woraus Leute, wie die Königin von Saba, die Könige Salomo und Amasis und die sieben Weisen aus Griechenland sich ein ernsthaftes Geschäft machten? Die griechischen Dichter haben dem Räthsel ihre Aufmerksamkeit geschenkt: die Lyriker mischten nicht selten Räthselartiges in ihre Gedichte ein, wie z. B. Archilochus, Stesichorus, Simonides; auch die Tragiker und Komiker legten Räthsel in ihre Dichtungen ein, so wie auch die Dichter der mittleren und neuern Komödie. Die hebräischen, die türkischen, persischen, arabischen Dichter ersten Ranges haben Räthsel verfaßt; die Edda, die trefflichen Makamen des Hariri sind voll von Räthseln u. s. w. Es haben auch namhafte Dichter der Jeht

Friedreich, Gesch. d. Räthsels.

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zeit, ein Bürger, Tiedge, Langbein, Winkler, Körner, Schiller u. m. A. sich mit Dichten von Räthseln abgegeben. Dieses Alles hat Herr Otto Banck nicht bedacht, oder, was wahrscheinlicher, nicht gewußt, sonst hätte er seinen einfältigen Vers „Vergleichen, Wetten und Räthselrathen ist kleiner Geister Schweinebraten" nicht in die Welt geschickt.

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§ 1. Das Räthsel ist*) die umschreibende Darstellung eines nicht genannten Gegenstandes, um das Nachdenken des Lesers oder Hörers zum Auffinden desselben anzuregen; es ist, wie Meier**) ganz richtig sagt, wesentlich ein freies Spiel des Geistes, wobei es auf Wit und Geistesgegenwart ankommt, und wobei es noch auf geistreiche Unterhaltung, auf ein gegenseitiges Messen des Scharfsinnes und der Erfindungsgabe abge= sehen ist. Wolf***) hat folgende Definition gegeben: das Räthsel ist ein Spiel des Verstandes, der sich bemüht, einen Gegenstand so darzustellen, daß er alle Merkmale und Eigenschaften desselben schildert, so widersprechend dieselben an und für sich betrachtet auch sein mögen, ohne jedoch den Gegenstand selbst zu nennen. Das Geheimnißvolle, das in der Darstellung liegt, und das den Verstand zur Lösung jener Widersprüche durch die Auffindung des Namens reizt, bildet das eigentliche Suteresse des Räthsels, welches seine höhere Beziehung darin hat, daß im Universum gleichfalls wie in jedem einzelnen abgeschlossenen Wesen die scheinbar einander vernichtenden Widersprüche dazu beitragen müssen, ein harmonisches Ganze zu bilden. Die künstlerische Auffassung des Räthsels beruht demnach auf der scharfsinnigen Auffindung und Zusammenstellung jener Merkmale, und der geschickten Umhüllung des Namens in schöner Form. Das Räthsel hat demnach besonders eine zweifache Aufgabet). Die erste ist die, irgend einen Gegenstand auf poetische Weise anschaulich darzustellen; es müssen daher, wie bei jeder Schilderung, die wesentlichsten Eigenschaften

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*) Ueber die verschiedenen Definitionen der Alten f. Voss, commentar. rhetor. P. II, Marb. 1781, Lib. IV, § 5. Caelius Calcagninus, oper. Basil. 1544, p. 44. Delrio, adagialia sacra P. I. Lugd. 1612. Prolog. p. VII. Kircher, oedipus aegyptiacus, Tom. II, Rom. 1653, Class. I, Cap. 4.

**) Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Hebräer, Lpzg, 1856, S. 164. ***Poetischer Hausschatz des deutschen Volkes, 6. Aufl. Lpzg. 1844, S. 1138. f) Kurz, Handb. der poetischen Nationalliteratur der Deutschen; dritte Abtheil. Zürich 1842, S. 279.

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und Merkmale desselben hervorgehoben und zujammengestellt werden, so daß aus ihrer Vereinigung ein vollständiges, anschauliches poetisches Bild des geschilderten Objektes entstehe. Die zweite Aufgabe besteht darin, daß der geschilderte Gegenstand nicht sogleich zur Anschauung gelange, nicht mit Einemmale erkannt werde; daher muß der Dichter unter den Merkmalen vorzugsweise solche wählen, welche einander zu widersprechen scheinen, oder welche auch einzeln, nicht aber in ihrer Vereinigung, andern Gegenständen, und zwar solchen, die allgemeiner bekannt sind, auf die man leicht und schnell verfällt, beigelegt werden könnten, so daß der Leser unmerklich von dem eigentlichen Objekte abgeführt wird. Durch die zweite, Aufgabe erhält nun das Räthsel vorzüglich das Bild des Wizes und der erheiternden Laune, während es durch die erste seine poetische Gestaltung *) erhält. So in Goethe's ,,Alexis und Dora":

So legt der Dichter ein Näthsel,

Künstlich mit Worten verschränkt, oft der Versammlung ins Ohr.
Jeden freuet die seltne, der zierlichen Bilder Verknüpfung
Aber noch fehlet das Wort, das die Bedeutung verwahrt.
Ist es endlich entdeckt, dann heitert sich jedes Gemüth auf,
Und erblickt im Gedicht doppelt erfreulichen Sinn.

II.

§ 2. Alle möglichen Formen des Räthsels bringe ich in folgendes Schema: I. Die Räthselfrage. II. Das einfache Worträthsel. Die Bariationen des Worträthsels: 1. Das Worträthsel mit verschiedener Bedeutung des Wortes, die Homonyme; 2. das Worträthsel mit Buchstabenveränderung; 3. das Worträthsel mit Ellision; 4. das Worträthsel mit Zusah; 5. das Worträthsel mit Buchstabenverseßung, der Logogrhphe und die Räthselquadratur; 6. das Worträthsel mit verschiedener Lesung, das Anagramm und das Palindrom, und 7. das Worträthsel nach Laut und Betonung, das Gleichlauträthsel und das Betonungsräthsel." III. Das Silbenräthsel, oder die Charade. IV. Das Buchstabenräthsel 1. in Bezug

*) Daß dem Räthsel eine poetische Bedeutung nicht abgesprochen werden kann, ift klar. Wackernagel (in Haupt's Zeitschrift f. deutsches Alterthum, 3. B. S. 25) sagt ganz richtig: Versinnlichung des Geistigen, Vergeistigung des Sinnlichen, verschönende Erhebung dessen, was alltäglich vor uns liegt, alles das gehört zum Wesen des Räthsels, wie es zum Wesen und den Mitteln der Poesie gehört.

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auf den Laut und 2. in Bezug auf die Figur des Buchstaben. V. Das Schreibzeichenräthsel. VI. Das Bilderräthsel. VII. Das complicirte Räthsel. VIII. Das Zifferräthsel. Von diesen einzelnen Formen nun insbesondere (§. 319).

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§ 3. Die einfachste und wohl auch älteste Form besteht in einer Frage, welche zur Beantwortung vorgelegt wird; man kann sie die Räthsel= frage nennen. Es giebt eine sehr große Menge derselben *), und den meisten liegt ein Wortspiel oder ein sog. schlechter Wit zu Grunde. Beispiele:

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1. Wer hat so viel Augen als Tage im Jahre sind? 2. Wer ist der gewandeste Sänger? 3. Welcher Ring wird gegessen? 4. Welche sind die schlechtesten und doch theuersten Treffen? 5. Warum soll ein Pferd kein Schneider werden? 6. Welche Aehnlichkeit findet statt zwischen einem Menschen, der sich ein paar Stiefel anzieht und ein paar hübschen Augen? 7. Welche Tanten können auch Oheime sein? 8. Sonst kommt, wie man sagt, die Hülfe von oben; wann kommt sie aber von unten? 9) Was ist der Mensch, der in einer angespannten Chaise sißt, die Pferde aber stehen bleiben? 10. Welcher ist der höflichste Fisch? 11. Welche Uhr deutet auf eine gedrückte Zeit? 12. Welcher Mensch hat mehr als einen Mund? 13. Was ist der Mensch, der noch keine Besoldung hat? 14. Welcher Arm macht sehr viel Lärmen? 15. In welcher Schule haben die Zöglinge Augen und sehen doch nicht? 16. Welche Gatten fahren immer auf dem Wasser? 17. Wer ist stärker, der Reiche oder der Arme? 18. Ju welchem Theile Preußens ist am meisten Leben? 19. Warum gleicht der Kuß einem Gerüchte? 20. Warum kann der beste Thiermaler keinen freundlichen Hund malen? 21. Was ist für ein Unterschied zwischen dem Alphabet und dem menschlichen Leben? 22. Welches Wort wird kürzer, wenn man noch eine Silbe dazuthut? 23. Warum find die Diebe klüger als die Aerzte? 24. Welche Aehnlichkeit findet zwischen einer Cigarre und der Liebe statt?

[Antworten. 1. Der am zweiten Januar Geborne. 2. Der Vogel, weil er Alles vom Blatte singen kann. 3. Der Häring. 4. Die Maitreffen. 5. Weil es das Futter frißt. 6. Sie üben eine Anziehungskraft aus. 7. Die Dilletanten. 8. Beim Souffleur. 9. Ein ungezogener Mensch. 10. Der Bückling. 11. Die Censur. 12. Der Mündel, denn der hat noch einen Vormund. 13. Ein gehaltlofer Mensch. 14. Der Allarm. 15. In der Baumschule. 16. Die Fregatten. 17. Der Arme, denn der hat Noth und Noth bricht Eisen. 18. In der Provinz Sachsen, denn in derselben liegen die Städte Eisleben, Aschersleben, Ermsleben, Alt- und Neuhaldensleben, Hadmersleben u. s. w. 19. Weil er von Mund zu Mund geht. 20. Weil der Hund, wenn er freundlich ist, mit dem Schweife wedelt, was nicht gemalt

*) Sehr viele sind gesammelt in der Schrift von Enslin, die ich noch in § 104 erwähnen werde.

werden kann. 21. Das Alphabet hat nur ein W, viele W (Wehe). 22. Kurz; kürzer. 23. Weil sie, gehen, stets bestimmt wissen, was den Leuten fehlt. desto weniger bleibt davon übrig.]

das menschliche Leben hat wenn sie irgendwo weg24. Je länger sie brennen,

Die Deutschen haben auch eigene Waidmannsräthselfragen, wie z. B. folgende:

Frage. Sag an lieber Waidmann,

Antwort.

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Was hat der edle Hirsch zwischen Wasser und Gries *) gethan?
Zwischen Wasser und Gries,

Da hat der edle Hirsch gewaschen seine Füß.

Fr. Sag an, mein lieber Waidmann,

Antw.

Wie spricht der Wolf den edlen Hirsch an?

Wohlauf, du dürrer Knab, du mußt in meinen Magen,
Da will ich dich durch den rauhen Wald hintragen.

Fr.

Lieber Waidmann, sag mir bald,

Wo lauft der edle Hirsch zu Wald?

Antw. Er lauft über die Wege alt und über den grünen Wald,
Und über den Rück, da kommt der edle Hirsch oft und bald.

Fr. Lieber Waidmann, sag mir an,

Wann hat der edle Hirsch sein Himmelzeichen **) gethan?

Antw. Wann er heut von Feld gen Holz ist gangen,
Hat der edle Hirsch mit seiner langen Stangen

Herabgeschlagen die Zehr***) und Aeste

Von Bäumen und Stangen und hat sein Waid †) empfangen;

Ift mir anders eben††)

So hat er das Himmelszeichen daran gegeben.

Fr. Lieber Waidmann, kannst du mir das sagen,

Was hat den edlen Hirsch vor Sonne und Mond über den Weg

getragen?

Antw. Das will ich dir wohl sagen, die liebste Mutter sein

Trug den edlen Hirsch über den Weg hinein†††).

Fr. Sag mir an, mein lieber Waidmann:

Was macht den Wald weiß?

Was macht den Wolf greiß?

*) D. i. Stein, Kiesel, Sand.

**) Zeichen heißt in der Waidmannssprache beim Hirsch das, woran man ihn spürt; Himmelzeichen das, was er in der Höhe, an den Bäumen, deren Laub er streifet, läßt.

***) Ift gleichbedeutend mit Ast.

+) D. . seine Agung, sein Futter.

f) D. h. befinne ich mich recht; man sagt auch „ist mir anders recht":

†††) Nämlich im Mutterleibe. Ein ähnliches deutsches Räthsel fragt: wer hat den Wolf über den Berg getragen? Die Wölfin.

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