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V.

Ehrengedächtniß unsers ehrwürdigen Ahnherrn Albrecht Dürers

von einem kunstliebenden Klosterbruder.

Nürnberg! Du vormals weltberühmte Stadt! wie gerne durchwanderte ich deine krumnien Gassen! mit welcher kindlichen Liebe betrachtete ich, deine altväterischen Häuser und Kirchen, denen die feste Spur von unsrer alten vaterländischen Kunst eingedrückt ist! Wie innig lieb' ich die Bildungen jer ner Zeit, die eine so derbe, kräftige und wahre Eprache führen! Wie ziehen sie mich zurück in je: nes graue Jahrhundert, da Du, Nürnberg, die lebendig wimmelnde Schule der vaterländischen Kunst warst, und ein recht früchtbarer, überfließender Kunstgeist in deinen Mauern lebt und webte; da Meister Hans Sachs, und Adam Kraft, der Bildhauer, und vor allen Albrecht Dürer mit feinem Freunde Wilibaldus Pirkheimer, und sa viel andre hochbelobte Ehrenmänner noch lebten! Wie oft hab' ich mich in jene Zeit zurückgewünscht! Wie oft ist sie in meinen Gedanken wieder von neuem vor mir hervorgegangen, wenn ich in deinen ehrwürdigen Büchersälen in einem engen Win

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kel beim Dämmerlicht der kleinen rundscheibigen Fenster saß, und über den Folianten des wackern Hans Sachs, oder über anderem alten, gelben, wurmzerfressenen Papier brütete; oder wenn ich unter den kühnen Gewölben deiner düstern Kirchen wandelte, wo der Tag durch buntbemahlte Fenster alle das Bildwerk und die Mahlereien der alten Zeit wunderbar beleuchtet!

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Ihr wundert euch wieder, und sehet mich an, ihr Engherzigen und Kleingläubigen! O, ich ken: ne sie ja, die Myrtenwälder Italiens, ich kenne fie ja, die himmlische Glut in den begeis sterten Männern des beglückten Südens: was ruft ihr mich hin, wo immer Gedanken meiner Seele wohnen, wo die Heimath der schönsten Stunden meines Lebens ist! Jhr, die ihr überall Grenzen sehet, wo keine find! Liegt Rom und Deutschland nicht auf einer Erde? Hat der himmlische Vater nicht Wege von Norden nach Sü. den, wie von Westen nach Osten über den ErdFreis geführt? Ist ein Menschenleben zu kurz? Sind die Alpen unübersteiglich? - Nun, so muß auch mehr als eine Liebe in der Brust des Mens schen wohnen können.

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Aber jest wandelt mein traurender Geist auf der geweihten Stäte vor deinen Mauern, Nürn» berg; auf dem Gottesacker, wo die Gebeine Al

Zierde von

Gie ruhen,

brecht Dürers ruhen, der einst die Deutschland, ja von Europa war. von wenigen besucht, unter zahllosen Grabsteinen, deren jeder mit einem ehernen Bildwerke, als dem Gepräge der alten Kunst, bezeichnet ist, und zwis schen denen sich hohe Sonnenblumen in Menge ecs heben, welche den Gottesacker zu einem lieblichen Garten machen. So ruhen die vergessenen Gebeine unsers alten Albrecht Dürers, um dessentwillen es mir lieb ist, daß ich ein Deutscher bin.

Wenigen muß es gegeben seyn, die Seele in deinen Bildern so zu verstehen, und das Eigne und Befondre dacin mit solcher Innigkeit zu ges nießen, als der Himmel es mir vor vielen andern vergönnt zu haben scheint; denn ich sehe mich um, und finde wenige, die mit so herzlicher Liebe, mit solcher Verehrung vor dir verweilten, als ich.

Ist es nicht, als wenn die Figuren in diesen deinen Bildern wirkliche Menschen wären, welche zusammen redeten? Ein jeglicher ist so eigenthümlich gestempelt, daß man ihn aus einem großen Haufen herauskennen würde; ein jeglicher so aus der Mitte der Natur genommen, daß er ganz und gar seinen Zweck erfüllt. Keiner ist mit halber Eeele da; wie man es öfters bei sehr zierlichen Bildern neuerer Meister sagen möchte; jeder ist im vollen Leben begriffen, und so auf die Tafel hin.

gestellt. Wer klagen soll, klagt; wer zürnen soll, zürnt; und wer beten soll, betet. Alle Figuren res den, und reden laut und vernehmlich. Kein Arm bewegt sich unnük, oder bloß zum Augenspiel und zur Füllung des Raums; alle Glieder, alles spricht uns gleichsam mit Macht an, daß wir den Sinn und die Seele des Ganzen recht fest im Gemüthe fassen. Wir glauben alles, was der kunstreiche Mann uns darstellt; und es verwischt sich nie aus unserm Gedächtniß.

Wie ist's, daß mir die heutigen Künstler un sers Vaterlandes so anders erscheinen, als jene preiswürdigen Männer der alten Zeit, und du vors nehmlich, mein geliebter Dürer? Wie ist's, daß es mir vorkömmt, als wenn ihr alle die Mahlerkunst weit ernsthafter, wichtiger und ehrwürdiger gez handhabt hättet, als diese zierlichen Künstler unse. rer Tage? Mich dünkt, ich sehe euch, wie ihr nachdenkend vor eurem angefangenen Bilde stehet, wie die Vorstellung, die ihr sichtbar machen wollt, ganz lebendig eurer Seele vorschwebt, wie ihr be. dächtlich überlegt, welche Mienen und welche Stellungen den Zuschauer wohl am stärksten und sichersten ergreifen, und seine Seele beim Ansehen am mächtigsten bewegen möchten, und wie ihr dann, mit inniger Theilnahme und freundlichem Ernst, die eurer lebendigen Einbildung befreunde

ten Wesen auf die Tafel treu und langsam auf traget. Aber die Neueren scheinen gar nicht zu wollen, daß man ernsthaft an dem, was sie uns vorstellen, Theil nehmen solle; sie arbeiten für vornehme Herrn, welche von der Kunst nicht gerührt und veredelt, sondern aufs höchste geblendet und gekielt sein wollen; sie bestreben sich, ihr Gemälde zu einem Probestück von recht vielen lieb: Fichen und täuschenden Farben zu machen; fie prú fen ihren Wig in Anstrengung des Lichts und Schattens; aber die Menschenfiguren scheinen öfters bloß um der Farbe und um des Lichts wil len, wahrlich ich möchte sagen, als ein nothwen. diges Übel im Bilde zu stehen.

Wehe muß ich rufen über unser Zeitalter, daß es die Kunst bloß als ein leichtsinniges Spielwerk der Sinne übt, da sie doch wahrlich etwas sehr ernsthaftes und erhabenes ist. Achtet man den Menschen nicht mehr, daß man ihn in der Kunst vernachläßigt, und artige Farben und allerhand Künstlichkeit mit Lichtern der Betrachtung würdis ger findet?

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In den Schriften des von unserm Albrecht sehr hochgeschäßten und vertheidigten Martin Luthers, worin ich, wie ich nicht ungern gestehe, einiges aus Wißbegier wohl gelesen habe, und in welchen viel Gutes verborgen seyn mag, habe ich

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