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Artikel 10 der Erklärung der Menschenrechte

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Nationalreligion zu erklären, ward der Antrag zwar verworfen, aber auf solche Art, daß man die Ängstlichkeit und Unsicherheit der Demokratie in der Motivierung dieses Schrittes empfindet.

Es würde, heißt es, eine Verletzung der Religion und der Gefühle sein, welche die Versammlung betreffs derselben beseelten, nur einen Zweifel daran vorauszusetzen. Man wagte noch nicht zu sagen, was man meinte, und so sah man noch eine Versammlung, deren Mehrzahl aus Freidenkern bestand, an Prozessionen teilnehmen und dem katholischen Gottesdienste beiwohnen. Nur zwei Monate später wurde der Antrag, den Katholizismus zur Nationalreligion zu erklären, abermals eingereicht, diesmal nach Maurys erbitterten Ausfällen gegen den Antrag auf Einziehung der Kirchengüter durch den Staat. Er wurde diesmal von einem Geistlichen, Dom Gerle, gestellt, welcher später als Jakobiner sich sehr eifrig bemüht zeigte, dies sein erstes öffentliches Auftreten in Vergessenheit zu bringen. Mirabeau antwortete mit einem Hinweis auf das Fenster im Louvre, das er von der Tribüne aus vor Augen hatte,,,dasselbe", rief er,,,aus welchem ein französischer Monarch, der die weltlichen Interessen mit den geistigen Interessen der Religion vermengte, die Flinte abschoß, welche das Signal zur Bartholomäusnacht gab". Und doch wich man diesmal wieder aus und umging die Sache, indem man erklärte, daß die Majestät der Religion und die Ehrfurcht, welche man ihr schuldig sei, nicht gestatte, sie zum Gegenstande einer Verhandlung zu machen. Die ganze Rechte enthielt sich der Abstimmung, und obendrein wurde ein Protest niedergelegt, der von 297 Mitgliedern, darunter 144 Klerikern, unterschrieben war. Man schwankte und widersprach sich selbst.

Der Adel, der 100 Jahre zuvor Ludwig XIV. Beifall zugejubelt hatte, als er das im Edikt von Nantes gegebene Toleranzversprechen widerrief, war durch die Einwirkung der Literatur des 18. Jahrhunderts so umgestimmt worden, daß er, da er als Stand verhandelte, in rein voltairianischem Geiste sich für allgemeine Toleranz ausgesprochen hatte; aber doch hatte er halb unsicher hinzugefügt, die katholische Kirche müsse Volkskirche sein. Der Bürgerstand, der zum Teil jansenistisch und deshalb in Wahrheit viel weniger freisinnig war, hatte sich als Stand auf ähnliche ausweichende Art ausgesprochen. Aber nachdem die Nationalversammlung zusammengetreten, war der Standpunkt prinzipiell derart bestimmt, daß jede Ungewißheit im Grunde von vornherein ausgeschlossen war. Denn einer der ersten Schritte dieser Versammlung war, wie bekannt, die Erklärung der Menschenrechte, und unter diesen Menschenrechten ist ausdrücklich die Freiheit zu denken, selbst in religiösen Dingen aufgeführt. Artikel 10 der Erklärung lautet nämlich:,,Niemand darf wegen seiner Ansichten, auch nicht wegen seiner religiösen Ansichten, behelligt werden, vorausgesetzt, daß seine Äußerung derselben die gesetzliche Ordnung nicht stört." Der Papst antwortete damit, diese Freiheit als „,ein ungeheuerliches und wahnwitziges Recht, das die Vernunft (sic!) erstickt", zu

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Mirabeau spricht über Toleranz

bezeichnen, und damit, sollte man meinen, war die Stellung der beiden Lager zueinander bestimmt.

Man spürt, wie die Situation sich klärt, als in der konstituierenden Versammlung die Rede auf die Toleranz kommt. In dem Antrage auf die Erklärung der Menschenrechte war ein Artikel folgendermaßen gefaßt:,,Die Gottes verehrung untersteht der Aufsicht der Polizei; folglich kommt es der Gesellschaft zu, sie zu regulieren, einen Kultus zu gestatten und einen andern zu verbieten." Mirabeau greift diesen Artikel aufs heftigste an:

,,Ich will nicht Toleranz predigen", sagt er. ,,Die uneingeschränkteste Religionsfreiheit ist in meinen Augen ein so heiliges Recht, daß selbst das Wort Toleranz als Ausdruck dafür fast tyrannisch erscheint, da die bloße Existenz einer Autorität, welche die Macht, zu tolerieren, also auch es nicht zu tun, besitzt, ein Attentat auf die Freiheit des Gedankens ist." In einer der folgenden Sitzungen geht er noch weiter: ,,Man hat von einem herrschenden Kultus gesprochen; was versteht man unter herrschendem? Ich verstehe dies Wort nicht und bitte mir eine Definition davon aus. Meint man einen Kultus, welcher die andern unterdrückt? Aber, hat die Versammlung nicht das Wort Unterdrückung geächtet? Oder ist es die Religion des Fürsten, welche man meint? Der Fürst hat nicht das Recht, über die Gewissen zu herrschen oder die Meinungen zu regulieren. Oder meint man den Kultus der Mehrheit? Ein Kultus ist eine Meinung. Dieser oder jener Kultus ist ein Resultat dieser oder jener Meinung. Aber eine Meinung bildet sich nicht durch Zusammenzählung der Stimmen. Der Gedanke gehört uns, ist unabhängig und läßt sich nicht fesseln."

Man sieht, wie der Mut, seine Ansicht in religiösen Dingen auszusprechen, seine Schwingen zu prüfen begann.

Und noch ein anderes Beispiel dafür, mit welcher Geschwindigkeit man sich sowohl innerhalb wie außerhalb der Versammlung von einem schüchternen Anfang zum vollen Bewußtsein der großen geistigen Umwälzung erhob, die nun vor sich ging.

Im Oktober 1789 stand vor den Schranken der Nationalversammlung eine seltsam aussehende Deputation in langen Kleidern und orientalischer Tracht. Es sind Juden aus Elsaß und Lothringen. Sie flehen im Namen ihrer Glaubensgenossen um Barmherzigkeit. ,,Hochgeborene Versammlung", sprachen sie,,,im Namen des Ewigen, welcher der Ursprung aller Gerechtigkeit und Wahrheit ist, im Namen Gottes, welcher allen Menschen gleiche Rechte und Pflichten verlieh, im Namen der Menschheit, die jahrhundertelang durch die entehrende Behandlung beleidigt worden, welche die unglücklichen Nachkommen des ältesten aller Völker in fast allen Erdgegenden erlitten, erscheinen wir, um Euch zu beschwören, unser bedauerliches Schicksal der Erwägung zu würdigen. Die, welche überall verfolgt, überall erniedrigt, und doch stets untertänig, nie aufrührerisch sind, die, welche bei allen Völkern ein Gegen

Um die Bürgerrechte der Juden

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stand des Unwillens und der Verachtung sind, während sie Duldung und Mitleid genießen sollten, die Juden werfen sich Euch zu Füßen und geben sich der Hoffnung hin, daß Ihr inmitten der schweren Arbeiten, die Euch in Anspruch nehmen, ihre Klagen nicht gering schätzen, daß Ihr mit einigem Interesse die schüchternen Einsprüche hören werdet, welche sie aus der Tiefe der Erniedrigung, worin sie begraben sind, vor Euch niederzulegen wagen.... Möchte eine Reform, die wir bisher fruchtlos ersehnt haben, und die wir mit Tränen in den Augen erflehen, Eure Wohltat und Euer Werk sein."

Clermont-Tonnerre nimmt sich mit Wärme dieser rührenden Bittschrift an. Der dreiste und kaltblütige Abbé Maury ergriff das Wort zur Erwiderung. Er sagte:,,Wer wird in unseren Tagen noch von Verfolgung oder Intoleranz reden! Die Juden sind unsere Brüder. Aber die Juden Bürger nennen, würde dasselbe sein, wie einzuräumen, daß Engländer und Dänen, ohne das Recht zur Einbürgerung erlangt zu haben und ohne aufzuhören, Engländer und Dänen zu sein, Franzosen werden könnten." Er verweilt bei dem Hange der Juden zum Wucher und den übrigen Lastern, die man ihnen zuschrieb:,,Kein einziger unter ihnen hat es verstanden, seine Hände dadurch zu adeln, daß er den Pflug führte oder ein Stück Land bebaute."

Da es den Juden streng verboten war, den geringsten Grundbesitz zu haben, und da man sogar von ihnen verlangte, daß sie beim Betreten einer Stadt dieselbe Abgabe wie für Schweine bezahlten, war Maurys Beweisführung leicht zu widerlegen. Aber der Haß gegen die Juden war noch so stark, daß niemand daran etwas auszusetzen hatte. Man fürchtete, die Juden würden das ganze Elsaß zu einer jüdischen Kolonie machen, falls man ihnen die Bürgerrechte gab.

Die Stimmung war flau. Nur ein einziges, damals noch unbeachtetes Mitglied der Versammlung war für die Gleichstellung der Juden: Maximilien. Robespierre. Er bezeichnete ihre Laster als Folgen der Erniedrigung, in der man sie gehalten hatte.

Aber er war der einzige in der ganzen Versammlung, der für den Antrag sprach; bezeichnenderweise umfaßte dieser Protestanten, Schauspieler und Juden als eine Einheit. Die Menschenrechte der ersten beiden Klassen wurden anerkannt; aber da Mirabeau die Unmöglichkeit der Förderung des Antrages in betreff der Juden einsah, ließ er die Verhandlung über diesen Punkt auf unbestimmte Zeit vertagen. Zwei Jahre verstrichen. Im Jahre 1791 erneuerten die Juden ihr Gesuch. Aber welch eine Veränderung im Tone! Die demütige Bitte des Sklaven war zur bestimmten und scharfen Forderung des Mannes geworden. Der Schluß lautet:

,,Wenn es eine Religion gäbe, deren Bekenner nicht Bürger sein könnten, während die Bekenner anderer Religionen es sein könnten, so würden diese herrschende Religionen sein; aber es gibt keine herrschende Religion, da alle gleiche Rechte haben. Wenn man den Juden die Bürgerrechte verweigert, weil sie Juden sind, so straft man sie,

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Neuordnung der Kirchenverhältnisse

weil sie in einer bestimmten Religion geboren sind. Aber in solchem Falle existiert keine Religionsfreiheit, da Verlust der Bürgerrechte mit dieser Freiheit verknüpft ist. So viel ist gewiß: indem man die Menschen zur religiösen Freiheit erhoben hat, hat man auch die Absicht gehabt, sie zur bürgerlichen Freiheit zu erheben; es gibt keine halbe Freiheit, so wenig es eine halbe Gerechtigkeit gibt."

Wenige Jahre, in der Atmosphäre der Revolution verlebt, hatten diesen Parias Selbstgefühl und Stolz verliehen. Diesmal ging der Antrag ohne Debatte durch.

In der konstituierenden Versammlung kam der Haß gegen,,offenbarte" Religion und ihre Priester, den die „,Philosophen" ihrem Zeitalter eingeflößt hatten, noch nicht in Worten zum Ausbruch. Die Erbitterung gab sich vorläufig in Handlungen kund. Alles Kirchenund Klostergut wurde für Staatseigentum erklärt. Voltaire hatte seinen Schülern die Aufgabe gestellt,,,d'écraser l'infâme". Die gläubigen Katholiken sahen in den Beschlüssen der konstituierenden Versammlung einen Versuch, auszuführen, was er sich unter dieser Aufgabe gedacht haben mochte. Es schien ihnen, als wäre die ganze Hölle auf Christi Kirche losgelassen, und als wollten,,die Philosophen die christliche Religion nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa, ja in der ganzen Welt abschaffen". (Conjuration contre la religion catholique et les souverains 1792). Um zu diesem Resultat zu gelangen, hatten sich die,,Philosophen" an die Fürsten der großen Länder gewandt, an Friedrich von Preußen, an Katharina von Rußland und andere, aber der Schlag selbst wurde vom französischen Mittelstand geführt.

Die Priester, die nach einem alten Wort gefunden haben, woran es dem Archimedes gebrach: den Punkt außerhalb der Erde, in der andern Welt, von wo aus sie jene bewegen können, begannen schon jetzt, die Provinzen zu fanatisieren. In Arras wurde ein Bild umhergetragen, auf welchem Maury und die Royalisten zur rechten Seite des Gekreuzigten, die Revolutionäre auf der andern Seite unter dem bösen Schächer abgemalt waren. Ein wahrer Aufruhr fand in Nîmes bei der Nachricht statt, daß ein Protestant, Saint-Etienne, zum Präsidenten der Nationalversammlung erwählt worden sei.

Die neue Ordnung der Kirchenverhältnisse wurde durch eine Allianz zwischen den Voltairianern und den Jansenisten der Versammlung erreicht. Als religiöse Menschen haßten die Jansenisten die irdische Größe und als Fatalisten fanden sie sich mit dem menschlichen Elend ab. Daher wollten sie die Kirche nicht reich sehen, und fragten auch nicht nach dem Nutzen, den deren Reichtümer in der Tiefe stifteten. Dazu kam, daß die Masse Skandale, zu denen das Leben der höheren Geistlichen Anlaß gab, ihren moralischen Sinn empörte. So war es z. B. bekannt, daß Mademoiselle Guimard, die Geliebte des Bischofs Jarantes, geistliche Pfründen hinter den Opernkoulissen verschenkte, daß der Erzbischof von Narbonne in einer seiner Abteien einen ganzen Harem unterhielt, ja, daß die Bernhardiner in der

Um den Priestereid auf die Konstitution

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Abtei Granselve eine ganz kleine Stadt mit einem eigenen Damenquartier und mit allzeit gedeckten Tischen für ihre Orgien eingerichtet hatten.

Hätte man sich damit begnügt, sich der Reichtümer der Kirchenfürsten zu bemächtigen, dann hätte man die Beschuldigung zurückweisen können, man hätte es auf die Existenz der Kirche abgesehen. Aber man griff in die inneren Verhältnisse der Kirche wie in ihre Disziplin ein; man änderte die Formen des Gottesdienstes, und die Kirchenführer verkündeten nun natürlich, daß die Religion in ihren Grundfesten erschüttert sei. Die niedere Geistlichkeit wagte deshalb so gut wie nie, den Eid auf die Verfassung abzulegen. Tat es einer, dann wurde der geringe Lohn, den er vom Staat erhielt, mit Judas' Blutgeld verglichen, trotzdem man es früher für ganz in der Ordnung gefunden hatte, daß die Bischöfe Paläste und Gärten besaßen und daß sie sich jede Art des Lebensgenusses verschafften, während die niedere Geistlichkeit zur selben Zeit förmlich ausgehungert wurde.

Die Neuordnung der Dinge wurde auf dem Lande sowohl zu possenhaften wie brutalen Szenen Anlaß. Man findet in Camille Desmoulins Journalartikeln eine sehr humoristische Schilderung des unfreiwilligen Abschiedes eines Dorfpredigers von seiner Gemeinde. An der Kirchentür findet er eines Sonntags nach dem Gottesdienste zu seiner Überraschung einen riesigen hochbepackten Möbelwagen mit all seinen Effekten, oben auf dem Wagen sitzt weinend seine Javotte, die,,Gouvernante", welcher der Schulmeister mit einer Träne im Auge Lebewohl sagt. Er wird unter dem Rufe:,,Leben Sie wohl, leben Sie wohl, Hochehrwürden!" auf den Wagen gehoben, und fort gehts, obschon er schilt und schimpft, so lange er noch seinen Glockenturm erblicken kann. An anderen Orten jedoch wurde der Eid dem Priester mit dem Bajonett auf der Brust abgezwungen, ja in einem vereinzelten Falle wurde er, als er auf der Kanzel stand, durch einen Flintenschuß getötet. Beging man nun auch solchergestalt einzelne Ausschreitungen wider die eidweigernden Priester, so war dies doch sehr wenig verglichen mit dem, was von ihrer Seite geschah. Sie schilderten der Landbevölkerung die bürgerliche Verfassung, welche in Wirklichkeit die Religion gar nicht angetastet hatte, als ein Werk des Teufels. Sie lehrten, daß es eine Todsünde sei, das Sakrament von einem Priester zu nehmen, welcher der Regierung den Eid geleistet, daß die Kinder, welche den von diesen Priestern eingesegneten Ehen entsprängen, als Bastarde zu betrachten seien, ja daß der Fluch Gottes auf der Wiege jedes solchen Kindes laste. Bald wurde ein verfassungsmäßiger Priester mit Steinwürfen in der Kirche verfolgt, bald ein anderer an dem Kronleuchter des Chores aufgehängt. Die Kirchen, welche die Nationalversammlung hatte schließen lassen, wurden mit Axthieben geöffnet. In einzelnen Departements zogen mörderische Banden von Pilgern unter der Führung von Priestern über die Felder, mit Flinten und Spießen bewaffnet. Am schlimmsten ging es in der Bretagne zu. Wenn

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