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Frankreich in Übereinstimmung mit Europa

überall in Europa die alte Gesellschaft, das alte Recht und die alte Eigentumsverteilung. Bonaparte gab Frankreich die erstrebte Sicherheit. Und das nicht allein; denn durch seine Siege wurde der Samen der neuen französischen Gesellschaft über ganz Europa gestreut.

Das Kritische in Frankreichs auswärtigen Verhältnissen um die Jahrhundertwende lag in dem Gegensatz, in dem die neue Gesellschaft hier und die alte in Europa zueinander standen. Seiner eigenen Sicherheit wegen mußte Frankreich die sozialen Verhältnisse bei den Völkern umgestalten, die es besiegte. Bonaparte sah dies ein und überall, soweit sein Einfluß reichte, führte er den neuen Gesellschaftsund Rechtszustand ein.

Doch auf der andern Seite hielt er es für politisch notwendig, Zugeständnisse zu machen, wirkliche oder nur anscheinende, und zwar überall da, wo sich anders eine Übereinstimmung zwischen den Zuständen in Frankreich und Europa nicht zustande bringen ließ. Es galt ja, um die Dauerhaftigkeit der Verhältnisse zu sichern, wie er selbst gesagt hat, Frankreichs soziale Einrichtungen in Übereinstimmung mit denen Europas zu bringen (mettre les institutions de la France en harmonie avec celles de l'Europe).

Solche Punkte waren die Kirche und der Adel. Wie sich Bonaparte vorstellte, daß die Kaiserkrone auf seinem Haupte die Mächte mit der Revolution versöhnen würde, und wie er meinte, die guten Beziehungen zwischen dem Ausland und Frankreich durch Errichtung eines Adels fördern zu können, so hielt er es für politisch richtig, Frankreich wieder ein Kirchenwesen zu geben, das dem des übrigen Europa ähnelte.

Er begann von Grund auf mit den kirchlichen Verhältnissen. 1802 wurde das Konkordat geschlossen. Im selben Jahr errichtete er die Ehrenlegion, die als militärische Belohnung ihren Zweck erfüllte, deren eigentliche, verfehlte Absicht aber war, einen Adel zu schaffen. 1804 wurde das Kaisertum errichtet. 1807 wurden die Majorate wieder eingeführt. 1808 erfolgte die Stiftung eines vollständig neuen Adels.

Frankreich wurde dadurch aber doch nicht dem übrigen Europa gleich. Napoleons Wahlfürstenmacht glich nicht der alter Fürstenhäuser; sein Adel war ein Adel ohne Vorrechte, und seine Kirche eine Kirche ohne Kirchengut. Doch wenn er auch durch seine Restaurationsbestrebungen viele der besten Elemente in der französischen Gesellschaft von sich stieß, kann man doch nicht leugnen, daß hinsichtlich der inneren wie der äußeren Verhältnisse viel politische Vernunft in ihnen lag.

Hinter dem Konkordat lag ein gesunder politisch-wirtschaftlicher Gedanke.

Bis jetzt war es nämlich dem Staat nicht gelungen, jene Art Schandfleck zu entfernen, der auf dem Adels- und Kirchengut haftete, das von Privatleuten erworben war. Es hatte noch nicht denselben Marktwert wie anderes Grundeigentum. Ein Erbgut und eine National

Die neue Stellung der Kirche

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domäne, die dasselbe einbrachten, konnten keineswegs für denselben Preis verkauft werden. Die Nationaldomäne mußte 40% billiger abgelassen werden. Deshalb mußte es sich für den Staat darum handeln, den neuen Besitzern den ausdrücklichen Verzicht der alten Eigentümer zu verschaffen. In der Regel ließ sich das natürlich nicht machen. Nur in einem Falle war es möglich, nämlich beim Kirchengut. Denn die Kirche besaß ein Haupt, dessen Abmachungen für alle seine Untergebenen bindend waren.

Durch das Konkordat mit dem Papst gelang es Bonaparte, den Besitzern von Kirchengut die von ihnen so lange vergebens erstrebte Sicherheit zu geben. Der Papst erklärte im Konkordat unzweideutig, daß weder er noch seine Nachfolger Rechte auf das verkaufte Kirchengut geltend machen würden. Es war nun kein Risiko mehr, solches zu besitzen, und es war auch keine Sünde mehr. Zum Ausgleich gab der Staat der Kirche gewisse feste Einnahmen. Bischöfe und Priester erhielten ein festes Gehalt, bekamen jährlich eine bestimmte, verhältnismäßig bescheidene Summe und eine Wohnung. Die nicht verkauften Kirchen wurden ihnen überlassen. Hinsichtlich der Ausgaben für den Kultus wurde die Kirchenverwaltung an die Kommunen und Departements, denen hierfür Steuern auferlegt wurden, und außerdem auf die milden Gaben der Gläubigen verwiesen. Ähnliche Abkommen wurden hinsichtlich der kirchlichen Unterrichts- und Wohltätigkeitsanstalten getroffen, die man in der Revolution geplündert hatte. Der Staat hatte die katholische Kirche um ein Kapital von mindestens fünf Milliarden und Einnahmen von 270 Millionen beraubt; er versprach ihr dafür ein jährliches Einkommen von 17 Millionen, er machte also insofern ein vortreffliches Geschäft, während er gleichzeitig die Erwerber von Kirchengut einerseits und die Gläubigen andrerseits beruhigte.

Das Konkordat gab den drei bedeutendsten christlichen Bekenntnissen und der israelitischen Religion denselben Schutz und brachte deren Priester in die gleiche Abhängigkeit vom Staat. Napoleon überschätzte augenscheinlich die Macht, die er dadurch über die katholische Kirche, die in Frankreich allein von Wichtigkeit war, erlangte. Als er bald darauf in der Kirche auf Widerstand stieß, brauchte er Gewalt gegen sie, entführte den Papst und machte ihn zum Gefangenen. Er selbst setzte sein Konkordat aufs Spiel.

Aber was darin an gesunden politischen Ideen und Taktik enthalten war, ließ es diesen Bruch wie auch den Sturz seines Urhebers überleben.

Es ist kaum nötig, anzudeuten, in wie hohem Grade Bonapartes rein persönlicher Ehrgeiz und seine Herrschsucht ihn zum Konkordat führen mußten. Mit der kirchlichen Autorität war während der Revolution die monarchische Autorität gestürzt worden. Es galt, das Autoritätsprinzip wieder zu errichten. Die Hofetikette der alten Monarchie kehrte von selbst in dem Augenblick zurück, da die Reli

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Napoleon über die Autorität

gionen wieder eine Macht im Staate waren. Man hat es als Napoleons größte und schwierigste Tat bezeichnet, daß er in Frankreich die Machtidee, die von der Revolution verkannt und verhöhnt worden war, wieder aufrichtete1). Mit Recht hat man gesagt, daß keiner so selbstverständlich und kühn wie er den Instinkt und die Gabe zu herrschen entfaltet habe. Doch von dem Augenblick an, da er sich nicht damit begnügen wollte, die Macht kraft seines Genies und des neuen Gesellschaftszustandes zu sein, sondern die absolute Monarchie wieder aufrichten wollte, stützte er sich nicht mehr auf die Machtidee, die mit der Rechtsidee verschmilzt und ein Ausdruck der Vernunft der Ereignisse ist, sondern auf die Autoritätsidee, welche dadurch wirkt, daß sie blendet und blind angenommen wird, und von diesem Augenblick an mußte er die Kirche mit sich haben. Als Wieland im Jahre 1808 den Kaiser fragte, weshalb er den von ihm restaurierten Kultus nicht dem Zeitgeist mehr angepaßt habe, lachte der Kaiser und antwortete:,,Ja, mein lieber Wieland, für Philosophen ist er freilich nicht gemacht. Die Philosophen glauben weder an mich, noch an meinen Kultus, und für Leute, welche daran glauben, kann man nicht Mirakel genug tun, sowenig wie man ihnen zu viele lassen kann." Es ist kaum möglich, die Autorität deutlicher als Blendwerk zu charakterisieren. Bei anderen Gelegenheiten gebrauchte er das Wort, das in der nachfolgenden Literaturperiode das Stichwort wurde, indem er die Religion als die Ordnung bezeichnete. Johannes Müller schreibt 1806 an seinen Bruder:,,Der Kaiser sprach von dem Grund aller Religionen und von ihrer Notwendigkeit und sagte, der Mensch empfinde das Bedürfnis, in Ordnung gehalten zu werden."

Hinsichtlich dieser Auffassung der Religion als Ordnung scheint einige Ähnlichkeit zwischen Napoleon und den Jakobinern stattzufinden, wie überhaupt Napoleons Restaurations versuch eine bestimmte Analogie mit Robespierres Bestrebungen zur Wiederbelebung des religiösen Geistes darbietet. Als Politiker glaubt Robespierre an die ordnende und regulierende Macht der Religion, und als Politiker in einem Zeitalter, wo die ungeheure Mehrzahl der Gebildeten auf dem Boden des Deismus steht, fürchtet er den Atheismus als ein den Ideen der Zeit fremdes Prinzip.

Bonaparte begriff, was für ein unschätzbares Werkzeug in der Hand des Regierenden die überlieferte Religion und der Kultus sei, und beschloß daher nur aus diesem Grunde eine Allianz mit dem Priesterstande, dem er für alle Fälle schon als Sieger in Italien geschmeichelt und den Hof gemacht hatte. Er wußte recht wohl, daß die große unwissende Mehrzahl in Frankreich, wie in allen anderen Ländern, noch immer an der ererbten Religion hing, und daß die Lehren, welche die Philosophen des 18. Jahrhunderts verbreitet hatten, unmöglich schon in die untersten und breitesten Schichten der Bevölkerung eingedrungen

1) Vgl. Guizot in Revue des deux mondes, 15. Februar 1863.

Napoleon über seine Ziele

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sein konnten. Er hat in früherer Zeit selbst offen seine Ziele bekannt. Im Jahre 1800 brach er inmitten seines Staatsrats in die Worte aus: ,,Mit meinen Präfekten, meinen Gendarmen und meinen Priestern bin ich imstande, alles zu tun, was ich will." Der Priester ist ihm ein Polizeibeamter wie die übrigen, nur in anderer Uniform. In den Notizen, die er Montholon diktierte, leitet er ohne weiteres das Konkordat aus dem Wunsche ab, den er hegte, die Geistlichkeit an die neue Ordnung der Dinge zu fesseln und das letzte Band zu zerreißen, welches sie und damit das Land an die alte bourbonische Dynastie knüpfte. Er hatte die Wahl gründlich überlegt, welche ihm zwischen dem Katholizismus und dem Protestantismus offenstand. Er räumte seinen Ratgebern ein, daß die Tendenzen des Augenblicks vollständig in der Richtung des Protestantismus lägen. „,Aber", sagte er,,,ist der Protestantismus Frankreichs alte Religion? Wie kann man in einem Volke Gewohnheiten, Geschmacksrichtungen, Erinnerungen erschaffen, die es nicht hat? Der Hauptreiz einer Religion (le principal charme d'une religion) liegt in der Erinnerung. Ich höre niemals in Malmaison die Kirchenglocken des nächsten Dorfes, ohne davon bewegt zu werden. Und wer könnte in Frankreich sich in einer protestantischen Kirche ergriffen fühlen, die niemand als Kind besucht hat, und deren kaltes und strenges Äußere so wenig zu den Sitten des Volkes paßt?“ ,,Außerdem", sagte er zu Las Cases, ,,erreichte ich durch den Katholizismus weit sicherer alle meine großen Ziele. Nach außen hin erhielt der Katholizismus mir den Papst, und mit meinem Einflusse in Italien und meinen Streitkräften dort zweifelte ich gar nicht, früher oder später durch das eine oder andere Mittel die Herrschaft über diesen Papst zu erlangen, und welchen ungeheuren Einfluß von diesem Augenblicke an, welchen Hebel für die öffentliche Meinung rings in der Welt!... Wenn ich als Sieger von Moskau zurückgekehrt wäre, würde ich den Papst leicht dazu gebracht haben, den Verlust seiner weltlichen Macht zu vergessen. Ich würde ihn zu einem Götzenbilde gemacht haben; er hätte immer bei mir bleiben sollen. Paris wäre dann zur Hauptstadt der christlichen Welt geworden und ich hätte die religiöse Welt ebenso vollständig wie die politische gelenkt. ... Meine Konzilien hätten dann die Christenheit repräsentiert, die Päpste wären nur ihre Präsidenten gewesen."

Ohne Schwierigkeit unterscheidet man die verschiedenen Beweggründe, die Bonaparte zur Durchführung des Konkordats bewogen.

Zunächst ein nicht zu bezweifelndes Gefühls motiv, das er in dem Wort über die Wirkung des Glockengeläutes der Dorfkirche berührt. Der Katholizismus war die Religion seiner Kindheit, die Religion der Mittelmeerländer, der Prunk ihres Gottesdienstes gefiel seinen Sinnen und entsprach der Art seiner Empfänglichkeit für Poesie. Es war nur echt italienisch, daß er den Klerikern gegenüber Mißtrauen hegte, sich aber dennoch zur Kirche hingezogen fühlte. Aber natürlich

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Frankreichs Mehrheit wollte die Religion

schloß er das Konkordat nicht aus religiöser Ergriffenheit, sondern auf Grund politischer Berechnung. Er fühlte, daß er als Regent nicht der Führer der höchsten Klassen sein durfte, sondern daß er die Massen hinter sich haben mußte, die Millionen fanatischer und kindlicher Männer und Frauen, die sich in der Vendée in offenem Aufruhr gegen die Republik erhoben hatten, und die sich lieber mit Gewehrkugeln und Kartätschen hatten niederschießen lassen, als daß sie vom Glauben ihrer Väter gelassen hätten. Und nicht nur die Bauern und der Landadel Westfrankreichs, sondern das ganze französische Volk war ja in seinen breiten Schichten katholisch geblieben, was sich - trotz mancher Anzeichen in entgegengesetzter Richtung mit jedem Jahr, das dahinging, auf immer weniger zu bezweifelnde Weise offenbarte.

Gewiß hegten die Revolutionsmänner eine direkt entgegengesetzte Überzeugung. Doch Bonaparte glaubte kraft einer höchst natürlichen instinktiven Sophisterei stärker als sie im Geiste der. Revolution zu handeln, wenn er sich zum Organ der Mehrheit gegenüber einer Minderheit machte, die die Geistes aristokratie repräsentierte. Als Mann der Mehrheit blieb er ein Ausdruck der Volkssouveränität, die die Revolution an die Stelle der Königsmacht gesetzt hatte. Als Erster Konsul tilgte er den Zwiespalt zwischen Staat und Kirche, schenkte er Frankreich Frieden, beruhigte ängstliche Gewissen, disziplinierte die weiße Schar der Priester, wie er das Heer in seinen bunten Uniformen diszipliniert hatte.

Man beachte auch die Argumentation bei Portalis, dem offiziellen Verteidiger und Fürsprecher des Konkordats. Um zu beweisen, daß es nicht möglich sei, eine neue Religion einzuführen, sondern daß man die alte wieder aufnehmen müsse, sagt er:,,In ganz alten Tagen, in Zeiten der Unwissenheit und Barbarei, haben außerordentliche Menschen sich inspiriert nennen, und nach Prometheus' Beispiel das Feuer vom Himmel herabholen können, um mit demselben eine neue Welt zu beseelen. Aber was bei einem entstehenden Volke möglich ist, ist es nicht bei alten vielgeprüften Nationen, deren Gewohnheiten und Ideen schwer zu verändern sind." Er beginnt, wie man sieht, damit, an die Autorität der Gewohnheiten zu appellieren. Und er fährt fort: ,,Man glaubt nur an eine Religion, weil man sie für ein Werk Gottes hält. Alles ist verloren, sobald man die Menschenhand durchblicken läßt." Daß diese Sprache nicht die des Glaubens ist, bedarf keiner Beweisführung. Worauf Portalis sich beruft, das sind die miẞlungenen Versuche, die positive Religion durch eine revolutionäre, eine „,Vernunftreligion" wie diejenige Rousseaus und Robespierres zu ersetzen. Diese Versuche waren mißlungen, obschon die neue Lehre nicht erst erfunden zu werden brauchte, sondern in Wirklichkeit im Gemüt der gebildeten Klassen lebte; sie waren mißlungen, weil es unmittelbar, nachdem man alle äußere Autorität gestürzt hatte, unmöglich war, der Überzeugung, die von der Mehrzahl der Gebildeten geteilt wurde, eine rein äußerliche Autorität, wie die zertrümmerte, zu geben. Sie trugen

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