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Die Burgkinder

I

Im Wipfel des jahrhundertalten, immergrünen Lebensbaumes sang eine Amsel. Ihr Lied mischte sich mit der lauen Abendluft, die durch den Garten strich und die Weinberge umspann. Von den Hügeln zog es in langanhaltenden, schwellenden und fallenden Tönen ins Rheintal nieder, unbe- 5 fümmert um den Herbstabend, in dem das letzte Sonnengold verblich, unbekümmert um das müde Schweigen in der Nähe und Weite.

Jetzt schwieg auch sie. Jenseit des Rheins, über Rolandseck,1 war der fahle Widerschein des Lichtes in sich selber 10 zerflossen. Und ohne zu zögern stieg hinter dem hohen Weinberghügel, der das Burghaus zu schirmen schien, der volle Mond empor und nahm vom Rheintal Besitz und den Höhenzügen zur Rechten und zur Linken. Schneeweiß, in unverbrauchter Jugend, hob sich das wetterfeste Gemäuer 15 des Burghauses aus dem Gewirr der Baumkronen. Längst vermoderte Geschlechter hatten es erbaut, die hinauszublicken verstanden über Tag und Zufall. Wie ein Zauberschlößchen lag der Sitz in Baum- und Weingärten, fern genug der Heerstraße, um ihren Lärm zu überhören, nahe genug dem Leben, 201

ΙΟ

15

um die Zugehörigkeit nicht zu vergessen. Von der Plattform des Turmes schweifte der Blick unbegrenzt in die Runde. Unbegrenzt und unbemerkt.

1

Bis an die schwergefügte Parkmauer heran schmiegte sich 5 das Dorf Rheinbreitbach. Der helle Mond schien über die roten Dächer hinweg, lag auf der Landstraße und ließ die Wellenlinie des Siebengebirges 2 phantastisch im Lichte schwimmen. Silbern wälzte sich die Flut des Rheins um den troţigen Sockel des Drachenfelsen.3

Der zehnjährige Knabe, der neben dem fünfzigjährigen bärtigen Mann auf dem Turm des Burghauses stand, griff unbewußt nach der Hand des Älteren und hielt sie fest.

Wie schön das ist, Oheim . . ."

"Ja, wie schön — —“

„Du hast viel gesehen von der Welt. Gibt es ein schöneres Land?"

„Nein, es gibt kein schöneres.“

4

Sie hielten sich bei der Hand und schauten hinaus und 20 sahen die Insel Nonnenwert wie ein Traumbild aus dem Strome steigen. Und vom jenseitigen Uferhang hinab starrten die Trümmer der Rolandsburg 5 auf den Traum . .

25

„Ist es wahr, Oheim, daß der Ritter Roland eine Nonne geliebt hat?"

„Weshalb sollte es nicht wahr sein?"

,,Sie trug doch ein geistlich Gewand und hatte sich dem Himmel verlobt."

„Ein Gewand hat noch nie ein Menschenherz geschützt, vielleicht versteckt gehalten. Und die Verlobung mit dem Himmel ist ein menschlicher Irrtum."

Der Graubärtige sah den fragenden Blick des Knaben nicht, aber er empfand ihn. „Der allmächtige Gott," fuhr er fort, ohne daß der Ton seiner Stimme sich merklich färbte, „der uns die Seele und dies Leben gab, braucht unsere Liebe, nicht unsere Aufdringlichkeit. Gott kann sich uns verloben, wenn er uns auserwählt, wir uns nicht ihm."

„Und wann, Oheim

Wenn wir sterben?"

wann verlobt sich Gott mit uns? 10

„Nein, wenn wir große Menschen werden."

Der Knabe sann vor sich hin. Dann ging sein Blick das

Rheintal hinauf in die Ferne.

„Müssen große Menschen nur lieben können -?"

„Nein, sie müssen auch hassen können.“

„Kannst du es, Oheim?" fragte der Knabe schnell. „Was? Lieben oder hassen?"

15

„Ich habe nur meine Mutter geliebt," sagte der Knabe. „Wenn sie mich ansah, mußte ich gut sein; auch zum Vater, 20 den ich nicht sehr gern mochte. Wie soll ich es dir beschreiben? Hat sie dich auch einmal angesehen?"

"Ja."

„Dann hast du sie auch liebgehabt." „Unermeßlich."

Der Knabe blickte auf. Das war nicht des Oheims alter fester Ton gewesen. Aber schon hatte der graubärtige Mann

25

ihn an sich gezogen und hielt das Knabengesicht gegen seine breite Brust gepreßt, damit es nicht den seltsamen Glanz der Augen sehe und das Zucken des Mundes. „Mein Jungemein Hein."

5 „Du kanntest sie, Oheim, und ich habe dich doch nie bei uns in Straßburg1 gesehen?"

Der Junge mußte noch einmal fragen.

„Ich war in Straßburg, als du geboren wurdest. Dann lebte ich jahrelang in Rom und in Avignon.2 Bis das Un10 wetter am ganzen französischen Himmel tobte, bis es gegen den Rhein stieß und das Elsaß verheerte.3 Als wir Kunde erhielten, daß in Straßburg das Fallbeil 4 Tag und Nacht arbeitete, daß man den Adel, Männer und Frauen, zu Hunderten auf das Schafott schleppte, um die Menschheit,gleich zu 15 machen, da trieb es mich nach Straßburg, Tag und Nacht.“

20

Der Knabe packte ihn fester bei der Hand. „Hattest du feine Angst?" stieß er hervor.

„Ja - ich hatte Angst. Um die Mutter, um dich um euch alle."

Er unterbrach sich. Und dem Knaben über das Haar fahrend, sagte er heiser: „Nun laß uns davon schweigen.“

Der Junge aber drängte ungestüm.

„Nein, Oheim, nein. Erzähl' mir alles. Ich bitte dich so herzlich. Schon als du mich herbrachtest, vor zwei Jahren, 25 versprachst du es mir und sagtest:,Später, wenn du größer bist. So sieh mich doch an, Oheim, ob ich nicht gewachsen bin. Sieh mich doch an.“

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