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„Nur wie ein verwunschener," entschied sie. „Da werde ich dich wohl erlösen müssen.“

„Das wird sich ja finden," sagte er mit gekränkter Knabenwürde. Aber alsbald fiel ihm sein Amt wieder ein, sein ritterliches Amt, und errötend reichte er ihr die Hand. „Ich 5 habe dich noch nicht begrüßt. Guten Morgen."

„Guten Morgen," wiederholte sie. „Ich heiße Sibylle." Wie ein Eidechschen war die kleine Sibylle aus den Decken geschlüpft und wusch ihr Gesicht, daß die Tropfen durch das Zimmer spritzten.

„Was will der fremde Jung' in unserem Zimmer?" tönte des Johannes Stimme aus den Kissen herüber.

„Das ist doch der junge Herr von der Burg!" rief die fleine Sibylle zurück. Du weißt auch gar nix." 1

Habt ihr auch Pferde im Stall?"

„Wir haben einen Esel," sagte Hein etwas kleinlaut. „Einen Esel? Den kannst du man selber reiten." 2

„Aber einen Garten haben wir und einen Gemüsegarten und einen Weinberg," verteidigte Hein den Besitz, „und dann ist der Oheim da und der Joseph." 3

"Sind Trauben im Weinberg?"

Da grollte eine Stimme aus dem anderen Bett, und flugs zog sich der Johannes die Decke über die Ohren.

„Wenn du dich hier nicht anständig aufführst, verbims' ich dich."

Was der große Junge für eine tiefe Stimme hatte. Hein trat auf ihn zu und reichte ihm die Hand. „Guten Morgen.“

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„Guten Morgen," sagte der andere. Vielen Dank, daß du uns geweckt hast. Ist die Mutter schon auf?"

„Das weiß ich nicht," erwiderte Hein. „Aber ihr möchtet zum Essen kommen.“

„Hurra!“ schrie der Johannes, und das Nebenbett war leer. Ernst und gesittet folgte der Barthel.

Und der Hein lief und schleppte einen Eimer frischen Wassers heran und lief wieder und holte Schuh- und Kleiderbürste.

Nun waren sie alle marschbereit, und der Hein setzte sich 10 an die Spitze seiner Gastfreunde. Aber der große Junge trat vor und reichte ihm noch einmal die Hand. „Ich heiße Barthel und mein Bruder Johannes und meine Schwester Sibylle. Wir drei danken dir auch recht schön, daß du uns geholfen hast."

15 Der Hein errötete tief. Ich hab's gern getan," sagte

er leise. Aber der Dank des Großen hatte ihn doch stolz gemacht, und er hielt den Barthel bei der Hand, als sie die Treppe hinabstiegen. Wie ein Freundeskreis betraten sie das Speisezimmer.

20 Der Eremit von Breitbach lächelte ihnen entgegen. Dann sprach er kurz das Tischgebet. Und der Joseph reichte die gefüllten Teller herum. Verblüfft sahen die fremden Kinder auf die großen Gemüseportionen.

„Guten Appetit," wünschte der Hausherr freundlich, und 25 die Kinder sprachen es in der Runde.

III

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Die Frau erwachte erst am anderen Morgen, als die Sonne schon hoch stand. Sie wollte sich erheben, aber die Füße versagten den Dienst. Mein Gott, mein Gott, dachte sie, ich muß doch meine Kinder sehen. Ganz steil hoben sich plötzlich ihre Schultern aber sie hielt sich aufrecht 5 und taumelte aus dem Bett bis zur Tür und riß sie auf und rief gellend durch das Haus: „Barthel! Johannes! Sibylle! ..."

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Der Hausherr war zuerst oben. Ohne ein Wort zu sprechen, umfaßte er die Frau und setzte sie in den Lehnstuhl. 10 Vor der Tür wisperten angsterregt die Kinder.

„Der Mutter

Sibylle kann

Nach einer Weile ging er zu ihnen hinaus. ist besser. Nur tiefste Ruhe muß sie haben. mit mir hereinkommen, und ihr anderen winkt der Mutter durch den Türspalt zu und geht in den Garten."

Die Kinder gehorchten, und in die Augen der Frau trat ein mütterlich Leuchten, als sie den Gruß ihrer Kinder gewahrte.

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Die nächsten Tage lag sie still und friedlich. Sie war dankbar für jede Hilfeleistung. Zuweilen ließ sie die Fen- 20 ster öffnen, um das Jauchzen der Kinder im Garten zu hören.

Der Hausherr aber wußte, daß der Verfall ihrer Kräfte nicht mehr einzuhalten war.—

An einem Tage brachte der Joseph ein Zeitungsblatt aus 25

dem Dorf mit heim, in dem die glückliche Flucht des Kurfürsten nach Westfalen und die mancherlei Abenteuer seiner Räte und Diener auf der beschwerlichen Reise beschrieben standen. „Der Hofmaler Peter Paul Tiebes," so lautete 5 die Schlußnotiz, „geriet bei Mülheim 1 zwischen die österreichischen Marschkolonnen, fiel mit dem Pferd und mußte, weil tot, zurückgelassen werden."

Die Kinder schlichen herbei. Ihr Instinkt leitete sie; und sie sahen das ernste Zeichen. Plötzlich waren sie ver10 stummt. Ihre ängstlichen, unruhigen Augen bettelten den Hausherrn an.

"Kommt einmal zu mir, Barthel, Johannes und Sibylle." Scheu drängten die drei heran. Dann fragte Barthel und kämpfte das Würgen in der Kehle nieder: „Mut15 ter?"

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„Noch nicht, Barthel. Wir werden sie noch bis morgen haben. Halt dich, Junge. Euer Vater"- und er zog Johannes und Sibylle in die Arme - "Kinder, euer Vater ist gestorben."

Barthel streckte sich ferzengerade, drehte den Kopf nach links und drehte ihn nach rechts und taumelte in die Hände Josephs. Und Johannes und Sibylle schrien in wildem Kinderschmerz nur immer das eine: „Vater! - Vater!Du sollst kommen, Vater

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25 Er ist schon da," sagte der graubärtige Mann und zog die fassungslos Weinenden fester an sich. „Wenn ihr mich

wollt, werde ich es sein. Was meinst du, Barthel, wollen

wir es versuchen? Kommt, wir wollen einen furzen Spaziergang um die Weingärten machen. In Gottes freier Natur findet sich der Mut am schnellsten wieder. Und ich will euch erzählen, wie euer Vater dahingeschieden ist. Er starb wie ein Kriegsmann."

Die Tränen rannen noch. Aber die Augen der Kinder blickten gespannter. Und leiser weinend umringten sie den Erzähler.

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Der winkte Joseph zu sich und befahl ihm leise, an der Tür des Turmzimmers zu bleiben. Und nun schritt er mit 10 den Kindern durchs Gartentor ins Freie, Johannes und Sibylle an der Hand, und der Hein hatte dem Barthel die Hand gereicht. Ein Stück bergauf schritten sie, bis an das höher gelegene Weinland, denn dort war ein Aussichtsplatz von weiter Schönheit, und der Mann mit dem klaren Blick 15 rechnete mit der weiten Schönheit und der wundertätigen Wirkung der Natur.

Noch ein paar Schritte tat er. Dann wandte er sich um, und die Kinder mit ihm. Und die Kinder vergaßen das Weinen und standen stumm und staunend.

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Riesengroß hing die Feuerkugel der Abendsonne über den Eifelbergen, glitt tiefer und tiefer, und schwand. Ihre Farbenpracht aber ließ sie noch zurück wie eine Hochzeitsschleppe, die über Himmel und Erde glitt. Und der Wolkenzug war purpurn, und der Rheinstrom lauteres Gold, und 25 eine große Feierlichkeit lag über den Bergen.

Da erzählte der Mann, den die Dorfleute den Eremiten

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