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füllt von Beamtenfracks und glänzenden Offiziersuniformen. Der Chevalier de Montbrun führte Sibylle am Arme ein. Der Hein stand beiseite und wartete.

Sibylle - Sibylle. War diese strahlende Frau mit den ewig lachenden Augen nun die Sibylle, oder war die 5 Schauspielerin mit dem stillen, verlorenen Blick die rechte Sibylle gewesen? Das quälte ihn und nahm ihm die Unbefangenheit, als er sie jetzt an Barthels Seite gewahrte, der sie mit glücklichem Gesicht auf ihn in der fernen Ecke hinwies. Da war sie bei ihm und preßte seine beiden Hände, als 10 wollte sie sie zerbrechen. „Hein — —!"

„Sibylle ...," sagte er atemlos.

„Du solltest der erste sein, den ich begrüßte. Und nun bist du der letzte.“

„Doch nicht, Sibylle. Wir haben uns schon im Theater 15 gegrüßt."

„Hast du es gesehen?" fragte sie dringend wie ein Kind. „Hast du es gesehen? Auf einmal war mir, als rief mich jemand. Und als ich aufblickte, war es der Hein."

„Als ich dich auf der Bühne sah,“ sagte der Hein, „und du 20 hattest so stille Augen, waren es nicht die Augen, die ich an dir gekannt hatte. Es war so viel Müdes und Trauriges darin. Und als ich dich hier unter den geputzten Menschen sah, und deine Augen lachten beständig, waren sie es wieder nicht. Sag'doch, Sibylle. Fühlst du dich nicht glücklich bei 25 deinen künstlerischen Triumphen?"

"Was sagst du? Künstlerische Triumphe? Wie Lakaien

müssen wir hinter dem Kaiser her und dem berauschten Volk seinen Ruhm verkünden. Das bringt Geld und Ehren.“

Sie schwiegen, und dann meinte der Hein: „Mußt du oft gegen deinen Willen spielen?"

5 Da lächelte sie ihn an. "Hein, Hein, ich bin das, was man den Stern der Truppe nennt. Und am Theaterhimmel müssen die Sterne jeden Abend aufgehen. So will es das Publikum, so will es der Direktor."

„Also hast du keinen eigenen Willen mehr?" fragte er, 10 und seine Augen wurden ganz hart und starr.

„Nein, ich habe keinen eigenen Willen mehr." Und plößlich sprach sie so hastig, daß es ihn fast betäubte. „Ich muß es dir sagen, bevor du mich danach fragst und mich die Menschen da von dir wegholen. Ich habe nein gesagt und wieder 15 und wieder nein, als der Direktor mir vorschlug, ihn zu hei

raten; und als er mir schwur, daß er nichts anderes in mir sehen wollte als das Mitglied, das er seiner Truppe erhalten müsse, und daß sein Name nichts anderes für mich bedeuten solle als einen sichtbaren Schutz gegen alle Bedrängnisse von 20 außen da habe ich ja gesagt und in eine Ziviltrauung1 ein

gewilligt."

Und der Hein tat, wie sie gewünscht hatte, und sprach kein Wort, und alles Blut wich ihm aus dem verzerrten Gesicht.

Sibylle litt. Seine Sibylle litt, und er hatte sich und 25 ihr nicht zu helfen gewußt. Und der Barthel litt auch und sah zu, wie seine Frau mit den Augen den auf sie einredenden jungen General liebkoste. Da war es ihm durchs Hirn

gefahren. Dem Barthel, hei, dem Barthel sollte geholfen werden.

Nun waren die französischen Schauspieler weitergereist, und auch der junge General hatte Abschied genommen und noch auf dem Hausflur mit Frau Josepha erregt geflüstert.

Am Abend kehrte der Barthel aus der Werkstatt heim und sah nach dem Kind.

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„Barthel," sagte der Hein, ich habe dir eine Beichte abzulegen. Deine Frau ist fortgegangen und kommt nicht mehr wieder. Und ich habe darum gewußt und ihr geholfen." 10 Der Barthel starrte ihn verständnislos an. „Was redest du da für krauses Zeug?"

„Barthel, es kann dich ja so schwer nicht treffen. Der junge französische General und deine Fruu-"

Der Barthel rang nach Atem.

„Komm mit nach Rheinbreitbach. Geschäfte halten dich

nicht. Und der Alte freut sich auf das Kind."

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Der Barthel schaute sein kleines Mädchen an. Jugenderinnerungen überfielen ihn viele, viele, und alle waren sie kinderfroh. Rote Wangen würde die kleine Brigitte be- 20 kommen und — für später ein glückseliges Erinnern. —

Und die Kleine war blaß und menschenscheu.

„Wir gehen auf die Burg" sagte er ihr zärtlich, als sänge er ihr ein Wiegenliedchen.

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Am nächsten Tage fuhren sie, das Kind zwischen sich, die

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Landstraße entlang. Und am Nachmittag sahen sie das Siebengebirge winken, und am Abend breitete sich die Heimat vor ihnen aus, die Heimaterde, die immer auf ihre Söhne wartet, um ihnen frische Kräfte zu geben. —

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XII

In diesem Jahr konnten nur die notwendigsten Arbeiten in den Weinbergen verrichtet werden. Die Jugend der Dörfer und Städte war auf dem Marsch ins Ungewisse, und die Zurückgebliebenen rangen mit dem Elend. Die Nachrichten, die von dem Heereszuge am Rhein eintrafen, wider10 sprachen sich und hörten nach der Überschreitung des Niemen 1 durch die Hauptarmee bald ganz auf.

Im Herbst liefen Siegesnachrichten um. Bei Smolensk 2 sollte Napoleon die Russen aufgerieben und auf Moskau zurückgeworfen haben. Vier Wochen später wußte man von 15 der fürchterlichen Schlacht von Borodino an der Moskwa 3 zu berichten und vom Einzug des gewaltigen Weltenbesiegers Napoleon in der alten Zarenstadt Moskau.1

Kaum hatten die Kuriere die Zeitungen an den Rhein und nach Frankreich gebracht, als ihnen andere Kuriere auf 20 dem Fuße folgten, die stumm dahinjagten und keine Antwort

erteilten. Wohin sie kamen, starrten ihnen die Menschen. nach. Keiner wußte, was geschehen war, keiner, was geschehen würde, und doch schrien sie es sich zu von Polen bis zum Rhein und über den Rhein: „Moskau brennt! Der Kaiser

hat die Stadt verlassen müssen! Das Heer hat seine Winterquartiere verloren!"

1

Und Kunde auf Kunde kam. Der Wind trieb sie her, sie fiel vom Himmel, sie wuchs aus der Erde und war hier und überall. „Der Kaiser geschlagen! Das Heer auf der 5 Flucht! Zertrümmert die Hunderttausende! Zermalmt die Trümmer! An der Beresina! 2 Ein paar Tausend nur gerettet! Niedergemacht der Rest! Herr Gott, dir Lob und Preis..."

3

Über Warschau sauste durch Eis und Schnee ein Schlitten 10 gen Dresden. In vier Tagen erreichte Napoleon von Dresden Paris. Er war entkommen.

Da traf die Nachricht ein, daß der preußische General Yord mit seinen Truppen von Napoleon abgefallen sei.

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„Das ist die erste Fahne der Erhebung," sagte tiefatmend 15 der Alte von der Burg.

Während die Aushebungen zu neuem Kriegszug allenthalben schon betrieben wurden, schlichen über die Landstraßen die Schatten der Heimkehrenden. In kleinen Trupps kamen sie an. Einzeln trotteten sie daher. Jammergestalten, von 20 den Wunden geschwächt, vom Hunger gekrümmt, von den endlosen Wanderungen abgehetzt und aufgerieben. Halb erfroren hüllten sie sich in die wenigen Lumpen, die sie gefunden oder gestohlen hatten. Kaum noch wagten sie zu betteln, aus Furcht vor den Bauern und Hofhunden, und 25 stumpf und verkommen schwankten sie dahin, einer in der Fußspur des anderen. Nach Frankreich nach Frankreich! 5

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