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Der Abend verlief wie der vorangegangene. Und da sich Frau Josepha beschwert hatte, daß sie den Schwager den ganzen Tag nicht zu Gesicht bekommen hätte, ließ Hein am anderen Morgen Barthel allein in die Werkstatt gehen. 5 Die schöne Frau hantierte um ihn herum.

„Sie sind sehr wortkarg, mein Herr und Held."

„Frau Josepha," sagte der Hein, ich verstehe mich nicht auf das Hofmachen.“

„Weshalb sind Sie nicht eher gekommen, Hein? Ich 10 hätte die anderen nicht nötig gehabt."

„Sie scherzen, Frau Josepha.“

Aber sie fuhr fort, leise und klagend vor sich hin zu reden. „Ich weiß, daß ich ein viel besserer Mensch sein könnte, aber es lohnt ja nicht in dieser Umgebung. Der Barthel ist eine 15 gute Seele, aber wir sind verschieden wie Feuer und Wasser." Er erhob sich. „Jetzt will ich noch einmal den Barthel aufsuchen."

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„Nichts ihm sagen!" rief sie und wehrte erschrocken mit den Händen. „Nichts ihm sagen!"

Wie erbärmlich das war. Seine Seele krampfte sich für den brüderlichen Freund zusammen. In welcher Luft der Barthel leben mußte. Er nickte ihr kurz zu und verließ das Zimmer.

Verwundert blickte der Barthel auf, als Hein die Werk25 statt betrat. „Habt ihr euch gezankt?"

„Nein, nein. Ich glaube, wir haben uns sehr gut verstanden."

Mit unruhigen Augen blickten die Freunde aneinander vorbei. Dann sagte der Hein: „Nein, Barthel, so geht das nicht. Wir Burgkinder sind immer ehrlich gegeneinander gewesen. Ich weiß nun, was dir fehlt. In dieser Ehe kannst du nicht weiterleben."

„Der Mensch kann viel, wenn er sich nicht mehr achtet."

„Nun, dann darfst du in dieser Ehe nicht weiterleben, weil die Selbstachtung die Grundlage und der Segen all unseres Tuns ist.“

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"Hein," sagte der Barthel und wandte ihm das zerfurchte 10 Gesicht zu, „ich bin kein Feigling, aber ich habe freiwillig das Kreuz auf mich genommen, als mein Blut hoch ging und mir alles rosenrot vor die Augen zauberte. Vor dem Altar haben wir uns die Hand gereicht, und unsere Kirche läßt keine Scheidung zu. Und da ist das Kind. Du weißt 15 nicht, Hein, was man für sein Kind tut."

Da stand der Hein und wußte nicht mehr weiter. Und er ging auf den Barthel zu und faßte seine Hände. „Junge alter Junge

„Du willst mir Adieu sagen, Hein. Das fühle ich. Aber 20 ich muß dir noch sagen, daß mich dein Besuch ordentlich erfrischt und gekräftigt hat. Ich habe jetzt vor dir und dem Vater nichts mehr zu verstecken, und das ist mir schon so viel als wäre ich vor euch wieder ein ehrlicher Mann geworden.“

„Barthel!"

„Hein! Du wirst dich meiner nicht schämen und wirst wiederkommen."

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„Ich werde wiederkommen, Barthel. Grüß'mir dein klein Brigittchen."

Da trat ein starker Glanz in die müden Augen. „Habe herzlichen Dank. Und grüß' mir den Vater und den alten 5 Schmitz und den Joseph und die Barbara und die Burg und die Weinberge und den Rhein. Ich seh' ja alles vor mir, und und

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Und plötzlich schrie er auf: „Ich hab' Heimweh, Hein! Ich hab' Heimweh. . . ."

„Barthel," tröstete leise der Hein, „du mußt dich deshalb nicht schämen. Treu der Heimat, das heißt treu sich selber,' sagte der Vater, als du von uns fortgingst. Und er wird es dir sagen, wenn du wiederkommst, Barthel."—

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Es waren seltsame Feierstunden, die auf der Burg gehalten 15 wurden.

Sie sprachen von dem Jammertag zu Tilsit1 und dem Engel Preußens, der königlichen Dulderin Luise, die vergebens ihre bittenden Hände zu Napoleon emporgehoben hatte, und sie sprachen von den Kaisertagen zu Erfurt 2 und den 20 deutschen Fürsten, die herbeigeeilt waren, dem kaltlächelnden Franzosenkaiser den Steigbügel zu halten. An keinem Unglück und an feiner Schmach gingen die Männer vorüber und sie härteten ihre Seelen darin und kräftigten ihren Haß.

Die Trauer um das Schicksal des Vaterlandes3 drängte

die Trauer um das Wohl und Wehe des einzelnen zurück. Wohl hatte der Hein, als er von Köln zurückgekehrt war, dem Vater Bericht erstattet über Barthels Seelennot. Aber der Vater hatte ihm nur die Hand gedrückt und ihm geantwortet: „Es muß jeder, der zur inneren und äußeren Frei- 5 heit gelangen will, durch sein Schicksal hindurch. Du weißt es selber, Hein." Und der hatte stumm genickt und an Sibylle gedacht.

Was ein rheinisches Herz in der Brust trug, schrie auf und streckte die geballten Fäuste gen Westen.

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"Fürchtet euch nicht," sagte der Alte auf der Burg, „aus der blutigen Saat wird eine blutige Ernte werden. Und noch immer leben Männer. Blickt nach Tirol. Am Berg Isel hat der Sandwirt Hofer zum zweitenmal Franzosen und Bayern aufs Haupt geschlagen, hat Innsbruck befreit 15 und das Land vom Feinde gereinigt. Und alles das hat er mit dem Tiroler Landsturm vollbracht."

Dann knallten Büchsenschüsse aus dem Süden herauf.

Aus dem Kerkerhof zu Mantua drangen sie in die deutschen Lande, und der Hofer lag mit zerfetzter Brust.

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Der alte Schmitz ging im feierlichen Leibrock zur Burg, und der Hausherr erwartete ihn und der Hein. Und die drei Männer saßen wie so oft bei der Kunde von neuer Willfür und neuer Schmach beisammen und schauten sinnend in ihre Gläser, bis der Hausherr das seine hob und starken 25 Tones sagte: „Es lebe Deutschland.“

Und der Winter ging hin, und die Märzglocken trugen schal

lend die Kunde von einem Geburtsfest durch die Lande. Marie Luise hatte ihrem kaiserlichen Gemahl einen Sohn geschenkt. Der König von Rom" war geboren. Vom Turm der Burg aus sah man das ganze linksrheinische Ufer entlang die 5 Freudenfeuer leuchten, und von Bonn herüber drang drei Tage lang der Donner der Geschütze. Auch der Joseph war Vater eines kräftigen Jungen geworden, und sehr stolz darauf.

Im Sommer las der Hein in einem Brief Sibylles, daß 10 der Kaiser in den Herbsttagen an den Rhein zu gehen ge= dächte, und daß die Schauspieltruppe zu dieser Zeit in Köln eine Festvorstellung geben würde. Das Blut ging ihm wie Sibylle kam. Sibylle. . . . In den ersten Novembertagen reiste der Hein, gut aus15 gerüstet, zu den Kaisertagen nach Köln.

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eine heiße Welle in die Schläfen.

Er war aber zu früh nach Köln gekommen. Der Kaiser hatte seinen Reiseweg geändert und machte unterwegs Stationen. Und wo er hinkam, glich das Rheintal einer Triumphstraße.

Die französischen Schauspieler trafen erst in letzter Stunde ein. Sie begaben sich sofort ins Komödienhaus und_richteten Bühne und Gewänder her.

Mitten im Gedränge der Theaterbesucher saß der Hein.

Im Hause Barthels fanden Hein und Sibylle sich. Frau 25 Josepha war stolz auf ihre Schwägerin und hatte sie und den adligen Leiter der Truppe zu einem Festabend nach der Vorstellung zu sich geladen. Die Prachtzimmer waren ge

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