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ZU WOLFRAMS PARZIVAL.

Im anschluss an eine erklärung des dritten buchs von Wolframs Parzival sind die nachfolgenden besprechungen einzelner stellen entstanden, welche noch der aufhellung oder schärferen betrachtung zu bedürfen schienen. Denn die mangelhaften auslegungen dieser stellen in der ausgabe von Bartsch sind meist von späteren aufgenommen worden, so dass eine correctur erspriesslich sein dürfte. Der fortlaufende commentar in der ausgabe von Piper bedeutet gegen Bartsch kaum einen fortschritt. Er ist nützlich durch verweise auf die erklärungsliteratur, deren resultate verwertet werden. Sonst aber kehren schiefe auffassungen von Bartsch ziemlich regelmässig wider. Bereicherungen der erkenntnis, welche nicht in der eigentlichen Wolframliteratur niedergelegt sind, sind ungenügend verwertet1) und auch in grammatischer hinsicht fehlt es an genauigkeit. 2) Ein strengeren anforderungen genügender commentar zum Parzival bleibt immer noch ein desideratum.

Ausser den commentaren von Bartsch und Piper habe ich von den übersetzungen im wesentlichen nur die beiden neueren benutzt, welche auf gründlicher kenntnis des originals beruhen: die freilich nicht ganz vollständigen übersetzungen von Bötticher, Berlin 1885 (2. aufl. 1893) und von W.Hertz, 2. aufl., Stuttg. 1898.

1) Z. b. 155, 23 wird Bartschens falsche übersetzung von schinnelier durch 'armschiene', die durch die ratlosigkeit der wörterbücher zu entschuldigen war, von P. widerholt, obwol inzwischen aus Schultz, Höf. leben s. 31 (2. aufl. s.37) zu lernen war, dass schinnelier (= afrz. genouillïères) die das knie schützenden panzerscheiben sind. Ich erinnere bei der gelegenheit auch an meine Zs. fda. 16, 425 gegebene correctur von P. 35, 20, die Piper entgangen ist.

2) So z. b. wird 158, 26 das falsche praesens gewahen statt gewehenen zu gewuoc Bartsch nachgeschrieben.

122, 2. Ûfem touwe der wapenroc erwant. Bartsch erklärt: 'erwinden sich umwenden, zurückgeworfen werden: der wappenrock spiegelte sich im tau'. Ebenso Piper. Dagegen übersetzt Bötticher: 'wie tau erstrahlt sein wappenrock' und bemerkt dazu in der anm. (1. aufl.): nicht 'spiegelte sich im tau', sondern 'kehrte am tau um', d. h. fand erst in dem glanze des taues seine grenze. Alles falsch, denn erwinden heisst einfach 'reichen bis', vgl. z. b. 130, 17 ir deckelachen zobelin erwant an ir hüffelin 'reichte ihr bis an die hüfte'. An unserer stelle ist also der sinn: 'der waffenrock war so lang, dass er bis ans tauige gras reichte'. Erst in den 'berichtigungen' der 2. aufl. (s. 408) corrigiert Bötticher seine übersetzung in: 'sein wappenrock streift an den tau' und danach W. Hertz: 'lang fiel der wappenrock hernieder, dass er den tau vom grase strich'.

122, 13. Aller manne schone ein bluomenkranz umschreibt Bartsch: 'ihn der ein blumenkranz war: der alle mannesschönheit wie blumen zu einem kranze in sich vereinigte'. Aber diese auslegung des bildes trifft wol nicht Wolframs sinn. W. braucht das einfache bluome sehr gewöhnlich metaphorisch zur bezeichnung des vollkommensten, höchsten, z. b. 39, 22 er bluome an mannes schoene, 109, 11 der aller ritter bluome wirt etc.1) Ganz in der gleichen anwendung braucht er aber auch das wort kranz, bei welchem der ausgangspunkt der bedeutung ein anderer ist, indem der kranz auf dem haupte wirklich das höchste am menschen ist, also ganz gleichbedeutend mit króne (z. b. 781, 14 du krône menschen heiles). Während also bei bluome der begriff des 'höchsten' erst indirect aus dem begriffe der schönheit und vollkommenheit abgeleitet ist, geht er bei kranz (krône) direct aus der anschauung hervor und tritt von da aus auch in den begriff der vollkommenheit über. Ueberall braucht W. kranz nur in dieser geltung (260, 8. 394, 12. 632, 18. W. 86, 3. 292, 11), ja sogar er treit der unfuoge kranz P. 343, 25 'das höchste der unsitte'; vgl. Ludwig a. a. o. Man wird daher auch in unserer stelle kranz in dieser bedeutung verstehen müssen und nicht wie Bartsch den dabei stehenden gen. bluomen zu einer verschiebung des bildes benutzen dürfen.

1) Weitere zahlreiche stellen verzeichnet Ludwig, Der bildliche ausdruck bei W. (1889) s. 17.

Bluomenkranz besagt hier nichts wesentlich anderes als das einfache kranz, also 'das höchste der mannesschönheit'. Auch aller manne schone ein bluome würde dasselbe besagen.

128, 17. Der werelde riuwe aldâ geschach. Bartsch erklärt: 'der werelde dient hier zur verstärkung, wie sonst in zusammensetzungen (werlttôre, werltwise) grosses, das grösste leid'. Bartsch vergisst aber beispiele dafür beizubringen, dass auch eine genetivverbindung statt der sonst allein in diesem sinne belegten composita (vgl. noch werltschande, werltzage) gebraucht worden sei. Es ist der werelde als dativ zu fassen und zu übersetzen: 'der welt wurde da schmerz zu teil', d. h. die welt erlitt durch Herzeloydens tod einen schweren verlust. - Die erklärung von Bartsch wird von Piper weitergeführt, trotzdem Bötticher die richtige übersetzung bot. Auch W. Hertz bringt jetzt wider den fehler ('o welt von leid, was da geschah'), so dass dessen ausmerzung geboten erscheint.

136, 25. Frouwe, ir wert mir gar ze hêr: des sol ich an iu mâzen. Bartsch verbindet hier des mit mâzen: 'mâzen sw. v. mass halten; mit gen. in etwas. Das werde ich euch beschränken'. Piper erklärt geradezu mâzen mit 'mässigen, einhalt tun'. Auch die übersetzer geben dieselbe auffassung wider. So Bötticher: 'frau, ihr werdet mir zu stolz, des will ich mass euch lehren'. W. Hertz: 'ihr führet noch das grosse wort. Ich lehr euch wol bescheidenheit'. Nun würde aber ein transitives mâzen einen objectsaccusativ erfordern, also des sol ich iuch mázen. Vielmehr hat hier mazen die gewöhnliche intransitive bedeutung 'mass halten', wie Bartsch auch zuerst richtig angibt. Das des bezieht sich aber nicht auf den inhalt des vorhergehenden satzes, sondern ist causal und mâzen weist auf das folgende. Der sinn ist also: 'ihr werdet mir gar zu vornehm. Deshalb will ich an euch mass halten, d. h. enthaltsamkeit üben'. Diese enthaltsamkeit wird dann im folgenden specialisiert. Ich würde lieber hinter her einen punkt, hinter mâzen doppelpunkt setzen.

137, 29. Wær mir aller wibe haz bereit, mich müet doch froun Jeschuten leit. Bartsch übersetzt: 'wenn ich mir auch den hass aller weiber dadurch zuzöge'; Piper ähnlich: 'wenn aller frauen hass mir drohte, so täte mir doch Jeschutens kummer weh'. Es wäre seltsam, wenn Wolfram fürchtete, sich durch das mitleid mit Jeschute den hass der übrigen frauen

zuzuziehen. Der fehler liegt darin, dass das war bereit auf die zukunft bezogen wird, während es heisst 'zur hand sein, gegenwärtig vorliegen'. Der sinn ist: selbst wenn alle frauen mir gehässig gesinnt wären (mich hassten), so würde ich doch Jeschuten bemitleiden', d. h. auch wenn er durch die von den frauen bisher ihm zu teil gewordene behandlung grund hätte, nun auch seinerseits ein prinzipieller weiberfeind zu sein, so würde ihn trotzdem Jeschutens unglück rühren'. Von den übersetzern könnte vielleicht W. Hertz ('und wären alle frauen mir feind, mich rührte wie Jeschute weint') das richtige meinen, während die übersetzung Böttichers ('wär frauenhass mir auch bereit, mich härmten doch Jeschutens leiden') die auffassung von Bartsch widerzugeben scheint. [Vgl. jetzt S. Singer, Bemerkungen zu Wolframs Parzival (1898), s. 68 f.]

139, 15 ff. Het er gelernt sins vater site, die werdecliche im wonten mite, diu bukel wære gehurtet baz, da diu herzoginne aleine saz, diu sit vil kumbers durch in leit. Das bild diu bukel wære gehurtet baz scheint allgemein in unschöner weise misverstanden zu werden. Bartsch drückt das folgendermassen aus: 'der schildbuckel hätte bessere stösse empfangen, d. h. Gahmuret hätte sich mit dem, was Parzival ihr nahm, nicht begnügt, sondern mehr geraubt'. Auch Piper erklärt: 'der unerfahrene wäre kühner vorgegangen', hier in engem anschluss an Kant, Scherz und humor s. 10, der noch dazusetzt: 'wol nicht ganz ohne eine kleine obscönität im bilde'. Aus der gleichen auffassung heraus lassen wol Bötticher und W. Hertz in ihren übersetzungen diese zwischenbemerkung Wolframs ganz aus. Ich meine aber, damit tut man dem dichter schwer unrecht. Wolfram nimmt in der ganzen erzählung so innig und zartfühlend anteil an dem unverdienten misgeschick der Jeschute (vgl. z. b. die vorige stelle 137, 29), dass es damit seltsam contrastieren würde, wenn er hier meinen sollte, Parzival hätte eigentlich die gelegenheit besser ausnutzen und die Jeschute vergewaltigen müssen. Man vergegenwärtige sich, wie Wolfram sonst derartiges mit abscheu verurteilt, so besonders in der kräftigen stelle gegen Meljacanz 343, 23344, 10. Der schlüssel zum verständnis der stelle liegt vielmehr in dem worte tumpheit, welches im vorhergehenden verse steht: unde ein tumpheit dâ geschach. Parzival hat sich bei

der Jeschute ungefuoge, unhöfisch, unritterlich benommen: er war ein tumbe. Sein vater Gahmuret würde sich bei einem solchen zusammentreffen ritterlicher betragen haben, mehr ritterliche zuht bewiesen haben. Nur das soll m. e. durch das vom kampfe hergenommene bild ausgedrückt werden. Ein ritter von der feinen höfischen bildung des Gahmuret hätte nach Wolframs meinung sicher nicht das zusammentreffen mit der einsamen dame zu ungebührlichkeiten benutzt. Es liegt in dem bilde nicht einmal so viel, dass er etwa die lage benutzt haben würde, um in höfisch sittiger weise um minne zu werben. Sondern eben nur die tumpheit des Parzival ist es, der Wolfram hier die zuht des vollkommenen ritters entgegensetzen will. Also 'wenn Parzival wie sein vater gehandelt hätte, so würde er sich ritterlicher, taktvoller aufgeführt haben'. Wer mehr herauslesen will, bürdet Wolfram eine roheit der gesinnung auf, die seinem wesen fremd ist. Zwar ist W. nicht prüde und vermeidet es durchaus nicht, sexuelle verhältnisse gelegentlich humoristisch zu behandeln. Aber in unserem zusammenhange würde eine 'obscönität' seiner ganzen art nach undenkbar sein.

141, 8. Disen ritter und den vetern din ze tjostiern sluoc Orilus. Die fehlerhafte erklärung von Bartsch: und den vetern din 'der zugleich dein vetter war' hat seltsamer weise bis in die neueste zeit immer wider nachfolger gefunden. Piper erklärt: 'der ritter und vetter sind dieselbe person, Schionatulander'. Ebenso geben Bötticher und noch jüngst W. Hertz in ihren übersetzungen diesen fehler wider. Wer mittelhochdeutsch versteht weiss, dass vetere 'vatersbruder' heisst. Parzivals vatersbruder ist aber Galoes. Und kurz vorher (134, 24) hat Orilus selbst erzählt, dass er den Galoes im kampfe getötet habe. Schon die sprachliche fassung unserer stelle hätte zeigen können, dass von zwei verschiedenen personen die rede ist. Auch inhaltlich wird die gegenüberstellung wirksamer, wenn Sigune sagt: 'die beiden brüder haben dir viel zu leide getan. Zwei länder raubte dir Lähelin, zwei dir nahe stehende personen, den Schionatulander und den Galoes, erschlug Orilus'. Dass Schionatulander mit Parzival überhaupt nicht blutsverwant war kommt noch hinzu, um selbst die nhd. bedeutung 'vetter' hier unzulässig erscheinen zu lassen.

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