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Unsere Bibliothek ist sorgsam bestrebt, durch Ausleihung von Büchern diese und ähnliche Arbeiten unserer Mitglieder zu fördern, und wird von Jahr zu Jahr mehr in Anspruch genommen. Um ihr die Aufgabe zu erleichtern, werden alle Verfasser, die mit ihrer Unterstützung gearbeitet haben, freundlichst gebeten, die betreffenden Werke ihr zuwenden zu wollen. Auch würde die Bibliotheksverwaltung sehr dankbar sein, wenn die Professoren der englischen Philologie dafür sorgen wollten, daß die auf Shakespeare bezüglichen Dissertationen ihr gesendet werden.

Im Auftrage des Gesamtvorstandes habe ich jetzt zu verkünden, wie die Preisaufgabe, die wir im letzten Jahre stellten, bearbeitet wurde. Sie galt auch einem theatergeschichtlichen Thema: «Hamlet auf der deutschen Bühne bis zur Gegenwart.»

Es sind vier Bearbeitungen eingelaufen. Alle sind sehr umfangreich, sind fleißig und gewissenhaft gearbeitet. Sie streben auch alle dem im Thema gesteckten Ziele zu. Das verwertete literarische Material ist überall völlig ausreichend und wird selbstverständlich nach der wechselnden Bühnenkenntnis der einzelnen Autoren mehr oder weniger ergänzt und belebt durch persönliche Erfahrung in Bezug auf moderne Hamlet-Aufführungen. Das Ergebnis der Preisausschreibung ist mithin ein sehr erfreuliches, denn man darf sagen: alle vier Arbeiten sind druckfähig.

Das schließt aber starke Wertunterschiede der Einzelarbeiten nicht aus. Sie ergeben sich vor allem aus der Art, wie die Autoren den materiellen Forderungen des Themas gerecht wurden. Dieses erheischte die literarhistorische Bearbeitung ebenso wie die bühnengeschichtliche.

Der Text der Übersetzungen und die dramaturgischen Bearbeitungen des Originaldramas mußten untersucht, die schauspielerischen Leistungen und die Bühnen-Inszenierungen beschrieben werden. Dazu hatte dann womöglich die entwicklungsgeschichtliche Begründung der Einzelerscheinungen zu treten. In Hinsicht auf das Thema selbst scheiden sich die vier Arbeiten in zwei Gruppen von je zwei Exemplaren.

Die Arbeiten der einen Gruppe behandeln fast ausschließlich je eine Seite des Themas.

Hierher gehört die Arbeit mit dem Motto «Deutschland ist Hamlet 000555. Sie legt das Hauptgewicht auf die bühnengeschichtliche, und hier wiederum besonders auf die schauspielerische Seite. Das beigebrachte Material ist ungemein reich und anregend, die Frucht jahrelangen, liebevollen und verständigen Sammeleifers. Im Gegensatz hierzu steht die Arbeit mit dem Motto Hamlet ist die immer offene Frage der deutschen Kunst»; ihr Verfasser hat seine Aufmerksamkeit vorzüglich dem Drama und dessen Wandlungen auf der deutschen Bühne zugewendet. Er bemüht sich mit seiner fleißigen Studie erfolgreich um die literarhistorische Seite des Themas.

Die andere Gruppe der Arbeiten zeichnet sich dadurch aus, daß hier das Thema nach seinen beiden Seiten voll ausgeschöpft wird.

Die Arbeit mit dem Motto «... as the northern star . . . besticht durch das Bestreben, die Riesenfülle der vielseitigen Materie in Klarheit zu bezwingen. Dem Verfasser ist es besonders um großzügige Gruppierung der charakteristischen Haupterscheinungen zu tun. In der Bühnengeschichte Hamlets sucht er nach den allgemein-historischen Bedingungen für das Entstehen der verschiedenen «Hamlete» und charakterisiert hiermit das deutsche Publikum; bei der Hamlet-Darstellung zeigt er den wechselseitigen Einfluß von gelehrter Ästhetik und praktischer Schauspielkunst; Übersetzungen und dramaturgische Bearbeitungen setzt er in ein lebendiges Verhältnis zur Entwicklung der deutschen Literatur; bei der Inszenierung behält er die Umbildungen der deutschen Bühne scharf im Auge. Er ist vielseitig, dabei aber hervorragend befähigt für die künstlerische Durchleuchtung des Themas, besonders für die Darstellung auf der Bühne.

Die Arbeit mit dem Motto Shakespeares deutsche Bühnengestalt ist noch immer ein zerflatterndes Phänomen» imponiert schon auf den ersten Blick durch ihre Gründlichkeit. Nach der literarhistorischen Seite hin glänzt sie durch ihr reiches Material, das stets in wissenschaftlicher Kritik verwertet wird, ob es sich nun um die oft schwierige Textkritik von Überarbeitungen oder um Stilanalysen der Übersetzungen handeln mag. Die Eigenarten der dramaturgischen und schauspielerischen Arbeit gestaltet der Verfasser zu lebenden Gesamtbildern, so daß er die verschiedenen «Hamlete» in ihrer geschiedenen Wesensart klar zu machen weiß, daß er diese inneren Umbildungen aber auch stets erklärt aus der kulturellen und literarischen Bedingtheit der Zeit. Man sieht mit ihm, wie das Stück sich geistig wandelt, zum besseren oder schlechteren, in aufsteigenden und niedersinkenden, oft sich durchschneidenden Kurven. Doch der Verfasser ist nicht etwa ausschließlich hochgelehrter Literarhistoriker, er ist auch im Praktischen theaterkundig. Er kann das überlieferte, oft vieldeutige und widerspruchsvolle Rezensionsmaterial für Schauspielerleistungen kritisch klären, er belebt durch persönliche Erfahrung die moderne Phase der Hamlet-Darstellung, er hat Blick für die Bühne, wie seine ansprechende dramaturgische Inszenierung, die er zum Schluß gibt, hinlänglich erweist, wobei er der Eigenart des Originals und den Forderungen des modernen Theaters gleichermaßen Rechnung trägt.

Zusammenfassend muß gesagt werden, daß von den vier tüchtigen Arbeiten zur Preisbewerbung doch nur die beiden letzteren, vielseitigen Arbeiten in Betracht kommen. Unter diesen ist der letzten der Preis zu. zuerkennen, denn sie hat das reichste Material, zeigt scharfsinnige Kritik und dringt geistig am tiefsten. Sie erschöpft das Thema nicht nur nach der methodischen, sondern ganz besonders auch nach der kulturellen Seite hin.

Als Verfasser ergibt sich: Professor Dr. Alexander von Weilen-Wien.

Weil aber die vorletzte Arbeit der letzten fast ebenbürtig ist, weil sie das künstlerische Moment so anschaulich herausstellt und auch in der Darstellung des Stoffes eine schöne Form gewählt ist, hat der Vorstand auf Vorschlag des Preisrichterkollegiums für diese sehr verdienstliche Arbeit einen weiteren Ehrenpreis von 500 Mk. bewilligt.

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Als Verfasser ergibt sich: Regisseur und Hofschauspieler Adolf Winds-Dresden.

Ich möchte nicht verfehlen, den Herren Preisrichtern Exzellenz Bürklin, Professor Fischer und Professor Schick, die binnen wenigen Wochen die umfänglichen Arbeiten studiert und ebenso eingehend wie gewissenhaft begutachtet haben, warmen Dank auszuzusprechen.

Des Weiteren teile ich aus den Verhandlungen des Vorstandes mit, daß sich unsere Finanzen in gesundem Zustand befinden (Einnahme: 8080 Mk. 25 Pfg., Ausgabe: 5612 Mk. 28 Pfg.) und daß die Zahl der Mitglieder, wenn sich anläßlich der heutigen Tagung nur drei neue anmelden, auf genau 600 gewachsen ist.1) In der Schriftleitung des Jahrbuchs ist ein Personenwechsel erfolgt: Herr Professor W. Keller ist nach neunjähriger sehr dankenswerter Tätigkeit als Mitredaktor zurückgetreten, um sich anderen Berufsarbeiten zuzuwenden; er bleibt jedoch nach wie vor als treuer Kollege in unserem Vorstand. An seiner Stelle hat sich Herr Professor Max Förster für die Schriftleitung gewinnen lassen; mit Freude haben wir den Opferwilligen zugleich in den Vorstand gewählt. Dieser Kreis, der voriges Jahr um einen erfahrenen Theaterkenner, Exz. Bürklin, bereichert wurde, zählt hiermit einen Philologen mehr. Ich beeile mich aber anläßlich einiger Pressestimmen, wonach jetzt die Shakespeare-Gesellschaft in die Hände der Philologen gefallen sei, hinzuzufügen, daß diese Personalverschiebung keineswegs einen Programmwechsel bedeutet. Die deutsche Shakespeare-Gesellschaft darf sich niemals einer exklusiven Gelehrsamkeit verschreiben; sie ist keine Akademie, sieht vielmehr seit der Gründung ihr Ziel unverrückbar da, Kreise der Wissenschaft, des Theaters und der Bildung gleichmäßig zu vereinen zu allseitigem Studium Shakespeares. Unsere Mitglieder aus der Theaterwelt sind zwar etwas zurückgeblieben: im Jahre 1869 betrugen sie 19 unter nahezu 200, also rund ein Zehntel; jetzt betragen sie nur 24 unter nahezu 600. Aber auch dieser Umstand darf uns nicht veranlassen, die Theaterinteressen hintanzusetzen, spornt uns vielmehr zu eifrigster Rücksicht auf unsere Darsteller, die vielleicht eines Tages wieder in größerer Zahl sich einstellen, hungrig und durstig nach tieferem Verständnis Shakespeares. Andererseits ist es das erste Gebot des Philologen, nicht zu töten, sondern das vergangene Leben eines Volkes neu erstehen

1) Fünf meldeten sich noch am selben Tag.

zu lassen, durch den unmittelbarsten, wärmsten Empfindungsausdruck, den es gibt die schöne Literatur. So dachten die Humanisten des 16. Jahrhunderts und suchten ihren Plato und Plutarch in frische Wirklichkeit umzusetzen, was ihnen dann Shakespeare in seiner Art nachmachte. Der echte Philologe bringt uns Ellbogen an Ellbogen mit dem Dichter, so daß uns dessen Verse anmuten, als wären sie neben uns und für uns geschrieben. Er ist der umsichtigste Anempfinder und Nachschaffer. Hiermit ersuche ich meinen philologischen Kollegen Professor Dr. Lorenz Morsbach-Göttingen, das Wort zu ergreifen zum Festvortrag über «Shakespeare als Mensch.»

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Auf den mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortrag folgte die Rechnungsablage und Entlastung des Schatzmeisters.

Ein Antrag von Privatdozent Dr. Hecht-Bern, die deutsche Shakespeare-Gesellschaft möge dahin wirken, daß unser Theater mehr als bisher das mehrfache Darstellungsfeld der Shakespeare-Bühne zu illusionsgemäßer Aufführung seiner Werke anwende, wurde gemäß dem Vorschlage des Vorstandes dahin beantwortet: man wolle weitere Forschungen und Versuche abwarten und dem Antragsteller anheimgeben, die Anregung an den deutschen Bühnenverein gelangen zu lassen.

Ein Antrag von Professor Hermann Conrad-Groß Lichterfelde zum vorigjährigen Beschluß betreffs Schlegel-Tieck wurde nach längerer Verhandlung zurückgezogen.

Im Zusammenhang mit jenem Antrag erhob Professor EidamNürnberg mancherlei Beschwerden, namentlich wegen nicht-geschäftsordnungsmäßiger Behandlung dieser Sache durch den Vorstand und wegen ungenügender Informierung der Jahresversammlungen. Demgegenüber sprach die Versammlung dem Vorstande ihr Vertrauen aus, mit 25 Stimmen gegen die 2 der Herren Conrad und Eidam; an der Abstimmung beteiligten sich die Mitglieder des Vorstandes und des Geschäftsführenden Ausschusses nicht.

Schließlich wurde als Ort der nächsten Generalversammlung abermals Weimar gewählt.

Abends fand im neuen Hoftheater eine neu einstudierte Aufführung von «Was ihr wollt» statt, wobei die Vorbühne zur Darstellung nebensächlicher Szenen mit großem Geschick und Erfolg verwendet wurde. Das Stück wurde mit einer einzigen Pause in wenig mehr als zwei Stunden durchgespielt.

Shakespeare als Mensch.

Festvortrag

gehalten auf der Generalversammlung der Deutschen
Shakespeare-Gesellschaft am 23. April 1908.

Von

Lorenz Morsbach.

Hat
at man früher Shakespeare für den unpersönlichsten aller

Dichter gehalten, der sich gleichsam hinter seinen Werken verstecke, so glauben Neuere, daß persönliche Erlebnisse und Zeitbegebenheiten einen greifbaren Niederschlag in seinen Dramen gefunden hätten. Aus vielen Aussprüchen seiner Personen will man die eigene Stimme des Dichters vernehmen, in manchen Figuren das Spiegelbild bekannter Zeitgenossen, in einigen die markantesten Züge des Dichters selbst wiederfinden. Mehrere Dramen hat man sogar als Beichten auffassen wollen. Die Sonette endlich, als Selbstzeugnisse, sollen das Bild noch in dankenswerter Weise ergänzen. Mit großem Scharfsinn und noch größerer Phantasie hat man die geheimsten Falten seines Wesens und die verborgenen Triebfedern seines Schaffens aufgedeckt. - Und doch! das heiße und ehrliche Bemühen muß in vieler Hinsicht als vergeblich bezeichnet werden.

Mit der Zitatenmethode kann man alles und nichts beweisen; sie versagt am meisten. Denn auch die Reflexionen und Aussprüche der dramatischen Personen stehen zu den Sprechenden in einem festen Verhältnis, aus dem sie nicht abgelöst werden dürfen. Es klebt ihnen immer etwas momentanes, eine besondere Färbung an, die dem Charakter und der Situation angepaßt ist und sich oft auch in der Prägung des Ausdrucks geltend macht. Kaum finden sich Zitate, die gleichsam aus dem Zusammenhang herausfallen, und bei solchen, die über das Maß des Notwendigen hinauszugehen scheinen, ist Shakespeares Kunst und nicht das Bedürfnis sich auszusprechen

Jahrbuch XLIV.

II

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