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3. doch Brutus sagt, daß er voll Herrschsucht war

4. doch Brutus sagt, daß er voll Herrschsucht war.

Das letzte Mal mit der Wucht aller Register, wie wenn in einem fugierten Satze schließlich alle Stimmen zu Wort kommen.

Nach der Stelle

Und ich muß schweigen, bis er mir zurückkommt

wartet Antonius verhüllten Hauptes, in schöner Pose an die erzene Wölfin gelehnt, den Eindruck ab, den seine schmerzliche Überwältigung auf die Menge macht. Im gegebenen Augenblick läßt er sich von dem Diener das Testament reichen, bei dem er Nachdruck auf das Siegel legt, wohl wissend, daß derlei äußerliche Nebensächlichkeiten oft besonders stark auf naive Gemüter wirken. Den Mantel breitet er auf einem Pfeiler des Geländers der Rostra aus. Alles ist auf Augenfälligkeit, auf den groben Effekt berechnet, der Fassungskraft und dem Empfinden des Pöbels angepaßt. Als die hingerissene Zuhörerschaft sich um ihn drängt, bricht sein aristokratischer Widerwille gegen den gemeinen Haufen durch die Maske des Volksfreundes. Er weicht vor ihrer allzu nahen Berührung auf die Stufen des Denkmals empor. Mit Ekel und Hohn fragt er:

Erlaubt ihr mir's? Soll ich hinunter steigen?

Und herrscht die Umstehenden voll Hochmut an :

nein, drängt nicht so heran! Steht weiter weg!

Nachdem er die Leiche enthüllt hat, steht er, während das Volk in wüsten Schmähungen gegen die Mörder tobt und rast, wie ein Triumphator auf der Rednerbühne, stolz aufgerichtet, das purpurne Bahrtuch in der hocherhobenen Rechten. Er muß die von seiner Rede Trunkenen, die bereits fortstürmen, die Verschworenen zu suchen, zurückrufen, um das Testament zu hören. Die Menge hebt ihn empor, und so auf ihren Armen hinausgetragen, von ihnen umjohlt und umwogt, verliest er nun mehr Marktschreier als Redner das Testament.

Nach der eingeschobenen Szene Cinnas, des Poeten, kehrt Antonius zurück. Das sich verlaufende Volk akklamiert ihn lebhaft, und er grüßt es vertraulich, nickt ihm zu, winkt mit der Hand der hochmütigste Bissen Leutseligkeit, den ein Patrizier je der Plebs hingeworfen. Dann überblickt er von den Stufen der Rostra den nunmehr leeren Platz. Die Rechte gebieterisch ausgestreckt, schmettert er, halb Angriffssignal, halb Siegesfanfare, den Aktschluß hinaus:

Nun wirk' es fort. Unheil, du bist im Zuge:
Nimm, welchen Lauf du willst!

Vom vierten (bezw. fünften) Akt an kehrt Antonius eine Herrennatur heraus, trocken, hart, tapfer.

Cassius schmäht ihn vor der Schlacht (V, 1) einen Wüstling und Trinker. Antonius lacht auf:

Der alte Cassius!

Die Beleidigung trifft ihn nicht mehr

er steht als Krieger, fast als Held vor uns. Welche Verwandlung und doch welche Einheitlichkeit! Eine Individualität kompliziertester Art hat sich vor uns ausgelebt.

Die Darstellung der Nebenrollen hält durchweg wacker Stand. Casca (Ernst Hartmann), der feiste aristokratische Wohlleber und Volksverächter, erzählt die Komödie auf dem Kapitol mit Ironie und Humor. Portia (Hedwig Römpler-Bleibtreu) ist eine römische Matrone von vornehmer Schönheit, die Heldin, die der natürlichen Schwachheit des Weibes als einem nicht zu überwindendem Schicksal erliegt eine lebendige Illustration dieses Wortes zur Frauenfrage, das wir von Shakespeare haben.

Die Aufführung des «Julius Caesar» ist wieder einmal ein tröstlicher Bescheid auf die häufig erhobene Wehklage, das Burgtheater leide an Altersschwäche. Glänzender dürfte es auch in der guten alten Zeit kaum eine Aufgabe gelöst haben als diese Forumszenen mit diesem Antonius. Daß das Vorzügliche nicht den Durchschnitt seiner Darstellungen bildet, ist freilich dennoch eine nicht zu leugnende Tatsache; aber ihr Grund liegt nicht in der künstlerischen Leistungsfähigkeit des Institutes, sondern in seiner, die hohe Bestimmung der Anstalt völlig außer Acht lassenden Führung. Seine Kräfte werden an unwürdige Aufgaben der Tagesliteratur vergeudet, über denen sie rosten oder in die Halme schießen, während die Zuschauerreihen sich mit einem plutokratischen oberflächlichen und urteilslosen Publikum füllen, dem Variété und Burgtheater gleichem Zwecke dienen. Wer den Abstand erwägt zwischen dem unvergleichlichen Können dieser Bühne und ihren tatsächlichen Leistungen, zwischen ihrem möglichen und ihrem wirklichen Niveau, dem drängen sich die Worte Mephistos auf die Zunge: Ein großer Reichtum schmählich ist vertan.

Wien, Januar 1908.

Helene Richter.

Shakespeare in Berlin 1907.

Wenn man die Berliner Shakespeare-Aufführungen des abgeschlossenen Jahres mehr als bloß chronologisch verzeichnen will und versucht, ihre Mannigfaltigkeit charakteristisch darzustellen, so ist von den Theaterverhältnissen der Reichshauptstadt auszugehen. Für eine ernsthafte Neubelebung Shakespeares kommen, da das «Lessing-Theater» mit seinem durchaus modernen Repertoire von vornherein ausscheidet, eigentlich nur das Königliche «Schauspielhaus und das «Deutsche Theater (Direktion Reinhardt) ernsthaft in Frage. Das Schauspielhaus» nun hat eine ganze Reihe Shakespearischer Dramen auf dem Repertoire, aber es spielt sie bei vorzüglichen Einzelleistungen doch in der herkömmlichen, durch die Meininger Schule ausgebildeten Manier. Es hat überdies diesem Zweig seines Spielplans nur eine unbedeutende Erweiterung durch die Neueinstudierung von «Viel Lärm um Nichts angedeihen lassen. Den lange versprochenen Coriolan» ist man uns bis heute schuldig geblieben, ja man hat ihn nach zahlreichen voraufgegangenen Proben aus unaufgeklärten Gründen ad calendas graecas verschoben.

Bleibt das Deutsche Theater», das deutlicher als es not tut in seinen Aufführungen den Stempel seines befähigten Leiters trägt. Nach dem großen Erfolge, den ihm der «Sommernachtstraum» und der «Kaufmann von Venedig» in früheren Spielzeiten eintrugen, ist Reinhardt Ende 1906 auch noch zur Darstellung des «Wintermärchens», anfang 1907 von Romeo und Julia> und Was ihr wollt» fortgeschritten. Freilich kann der Referent eine Einheitlichkeit seiner Intentionen keineswegs feststellen. Während es beim <Wintermärchen, sympathisch berührte, daß er die frühere Dekorations- und Ausstattungswut zügelte und mit einfacherer Linienführung vorging, ist er umgekehrt in der Darstellung von «Was ihr wollt dem Inszenierungsteufel vollständig verfallen. Man ging hier soweit, daß man die Drehbühne zum << Mitspieler machte, sie ganz offenkundig ihre Künste zeigen ließ und während der halbdunklen Verwandlung Gruppen stellte, die im Textbuche Shakespeares nirgends zu finden sind. Ich will nicht verschweigen, daß ich weder in der Meiningerei, noch in dem Reinhardtstil, noch endlich in der gewollten Primitivität der «Shakespeare-Bühne die Lösung sehe, Shakespeare so zu spielen, wie wir ihn empfinden. Vielmehr liegt die Lösung des Problems in der sorgfältigen Herausarbeitung der einzelnen Rollen und in einer energischen Beschneidung der häufigen Verwandlungen, die sich dadurch erreichen läßt, daß man mit stilisierten Dekorationen und einer begrenzten oder erweiterten Bühne, d. h. mit dem Zwischenvorhang, arbeitet.

Um nun zu den Einzelleistungen des «Deutschen Theaters überzugehen, so bot das «Wintermärchen» wieder sehr schöne Bilder, aber man hatte in der prächtigen Dekoration der Schäferszenen doch oft den Eindruck des Losgelösten, der völligen Unabhängigkeit vom Kern des Dramas. Ganz im Gegenteil kommt es bei Shakespeare doch immer wieder darauf an, das scheinbar Auseinanderfallende sehr energisch zusammenzuhalten. Das ist aber nur möglich, wenn man den fortwährenden Szenenwechsel durch Einführung stilisierter Dekorationen stark beschränkt und eine Zweiteilung der Bühne von vorn nach hinten, durch einen Zwischenvorhang also, vornimmt. In «Romeo und Julia» 1) hatte es Reinhardt wieder sehr stark auf szenische Glanzleistungen abgesehen. So bot das Ballfest im Hause der Capuletts, wo man die hin- und herschwebenden Figuren als Silhouetten wahrnehmen konnte, ein glänzendes, freilich etwas aufdringliches Bild. Hingegen die Regie Reinhardts ihr Bestes in der Belebung der Komparserie, in der Abschaffung des mechanischen Statistentums leistet. Wenn Romeo die Bekanntschaft Julias macht, während die anderen Gäste sich allmählich im Hintergrunde verlieren, so wird hier ein durchaus eigenartiges Bild moderner Regiekunst geboten. Alles dies kann uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Schwerpunkt solcher Aufführungen in den schauspielerischen Leistungen liegen muß. Nun hatte man den Romeo Herrn Alexander Moissi, die Julia Fräulein Camilla Eibenschütz anvertraut. Herr Moissi ist nichts weniger als ein tragischer Held. Ihm fehlt vor allem die jugendfrische Kraft, die sich auch in der Liebesraserei Romeos nicht verleugnet. Es geht nicht an, ihn, wie es Herr Moissi tat, als matten, sich nur von Zeit zu Zeit jäh aufraffenden Melancholiker zu spielen, dem offen

1) Erstaufführung 29. Januar 1907.

bar moderne neurasthenische Krankheitssymptome anhaften. Fräulein Eibenschütz, ebenfalls eine Künstlerin, die nur sehr moderne Aufgaben zu bewältigen versteht, war gut, so lange es auf ein passives Spiel ankam. Indes die wundervolle Szene der Liebesnacht mußte, abgesehen von ihrer verfehlt realistischen und überdeutlichen Inszenierung, versagen, weil es hier durchaus auf die Darstellung elementarer Kräfte ankam. Einzig und allein Herr Paul Wegener, der den Mercutio spielte, verstand es, den Stil Shakespeares zu bewahren, dem man mit allerhand Mätzchen, wie sie Herr Schildkraut als Capulett beliebte, denn doch nicht beikommen kann. Gutes bot in den komischen Partien Frau Wangel, die der Amme ihre eindringliche Charakterisierungskunst lieh und Herr Waßmann, der als Peter seine blöde Note trefflich zu entfalten wußte.

In der neuen Spielzeit ging an der gleichen Bühne «Was Ihr wollt» in Szene.1) Wie schon kurz berührt, hatte die Regie ihre Sache ganz auf die Tollheit des Hinterhauses», wenn dieser ein wenig anachronistische Ausdruck gestattet ist, gestellt, d. h. man suchte aus den junkerlichen Trinkund Scherzszenen soviel als irgend möglich herauszuholen. Im Prinzip ist dieser Standpunkt richtig, nur darf der ernste, freilich ein wenig konventionelle Teil des Dramas darüber nicht gar zu kurz kommen. Die Aufführung war von einem etwas plebejischen Humor erfüllt, von einer Karnevalslaune, die sich nicht ungezwungen genug gab. So dehnte man die nächtliche Sitzung in Olivias Hause (II 3), in der Junker Christoph, Junker Tobias und der Narr ihr Gelage abhalten, sehr über Gebühr aus und aus dem Worte Junker Christophs «Halts Maul, du Hund» machte man gleich einen ganzen Kanon, Weit besser gelang die tragikomische Liebesszene, zu der Freund Malvolio verurteilt wird. Herr Schildkraut, der den geckenhaften Höfling zu spielen hatte, besitzt leider wenig natürlichen Humor und zeigt im Gegensatz zu Vollmer, der am Schauspielhause diese Rolle gibt, eine etwas gespreizte Komik. Seine Partnerin und Herrin, Else Heims, besitzt Schönheit genug, um die Liebessehnsucht des Herzogs, den Herr Beregi spielte, begreiflich zu machen. Olivias Zwillingsbruder wurde von Herrn Ekert dargestellt. Trefflich waren der mutige Junker Christoph und der weibische Bleichwang durch Dingelmann und Waßmann besetzt, zu denen sich als Maria noch die derbkomische Frau Wangel hinzugesellte. Wenn eine Reihe von Shakespeare-Forschern, noch zuletzt Max J. Wolff, gerade dieses Drama sehr hoch bewerten, so kann ich ihrer Ansicht nicht beipflichten. Gleichwohl erscheint es ratsam, in der Aufführung den Lustspielcharakter zu wahren und nicht, wie es hier geschah, vorzüglich das possenhafte Element zu betonen.

Wenn somit diese Neuaufführungen von Werken Shakespeares in künstlerischer und literarischer Hinsicht manches zu wünschen übrig lassen, so ist andererseits das namhafte Verdienst, das sich Reinhardt um die bühnenmäßige Belebung Shakespeares gegenwärtig erwirbt, ganz außer Zweifel. Dadurch, daß er den Hoftheaterstil abschwört und mit nicht immer völlig geläutertem Geschmack eine Darstellung auf realistischer Grundlage anstrebt, bahnt er die Wege zu einem neuen Shakespeare-Stil. Er macht ferner, was

1) 17. Oktober 1907.

bei der gegenwärtigen Nachahmungssucht im deutschen Theaterwesen nicht unwichtig ist, auf noch ungehobene Schätze Shakespeare'schen Humors und Shakespeare'scher Tragik aufmerksam. Selbst der Literarhistoriker darf die ketzerische Bemerkung wagen, daß eine wirklich gute, von modernem Geiste getragene Aufführung des «Hamlet» durch ihre Sinnfälligkeit weit mehr zum Verständnis dieser Dichtung beiträgt, als ein Dutzend Kommentare. Wir ziehen nur nicht genügend in Betracht, daß die Darstellungskunst jeder Zeit dem neuen Empfinden, mit dem jede Generation den Klassikern gegenüber steht, Rechnung zu tragen und ihren Stil eben hieraus abzuleiten hat. In statistischer Hinsicht bemerke ich, daß im Jahre 1907 «Romeo und Julias am «Deutschen Theater» 36 Mal gegeben wurde. Dem entsprechen 55 Vorstellungen von «Was Ihr wollt», 35 Vorstellungen des im Jahre 1906 neu einstudierten «<Wintermärchen», vorzugsweise mit Leontes-Kayssler und Hermione-Sorma. Endlich ist der Kaufmann von Venedig und der

< Sommernachtstraum» 13 Mal gegeben worden.1)

Gegenüber der Neueinstudierung von «Viel Lärm um Nichts »2) im << Königlichen Schauspielhause» kann sich der Referent sehr kurz fassen, weil die Darstellungsart an dieser Bühne ein äußerst konservatives Gepräge trägt und in erster Reihe auf hübschen Bühnenbildern beruht. Ein an sich gutes künstlerisches Ensemble kommt nicht recht zur Entfaltung, weil die Bühnenleitung es nicht versteht, dem Spiele einen neuen Geist einzuhauchen, und der einzelne Darsteller von der allgemeinen Atmosphäre beeinflußt wird Es genügt also darauf hinzuweisen, daß Fräulein Arnstädt als Beatrice, Herr Patry als Benedict, Kraußneck als Leonato gute Leistungen boten und daß Herr Vollmer die Figur des Holzapfel mit der Fülle seines feinsinnigen Humors ausstattete. Die Hero gab mit entschiedenem Talent eine Novize, Fräulein Steinsieck.

Berlin.

Hans Landsberg.

Statistischer Überblick

über die Aufführungen Shakespeare'scher Werke auf den deutschen und einigen ausländischen Theatern im Jahre 1907.

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Othello,
1 m. Ein Wintermärchen (Dingel-
stedt), 1 m. Hamlet (Schlegel-
Tieck), 2 m.
Altenburg (Herzogl. Hoftheater). Der
Widerspenstigen Zähmung, 4 m. (1 m.
Zeitz). Hamlet (Schlegel-Tieck),
3 m.
Altona (Stadttheater, Dir. Max Bachur).
Hamlet, 3 m. Romeo und Julia,

1, Mitteilung des Deutschen Theaters.
2) 24. September 1907.

3 m.
König Richard III., 1 m.
Othello, 1 m.

Altona (Schiller-Theater, Dir. K. Meye-
rer). Romeo und Julia, 2 m. Othello
(Voß), 3 m.

Ansbach (Königl. Schloßtheater, Dir.

Felix Wildenhayn). Romeo und Julia,
1 in. Othello, 1 m.

Annaberg i. S. (Stadttheater, Dir. Georg
Kurtscholz). Ein Wintermärchen 1 m.
Apolda (Krystallpalasttheater). Romeo
und Julia, 1 m.

Aschaffenburg (Stadttheater, Dir. Jul.
Großer Witwe). Hamlet, 1 m.

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