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Die Lohnfrage unter dem englischen Submissionswesen.

Von

Louis Katzenstein.

In der staatlichen Verwaltung der anglikanischen Nationen hat man von jeher nach den Regeln verfahren, die für den privatwirtschaftlichen Geschäftsverkehr mafsgebend sind. Gewifs hat das seine Berechtigung, soweit dadurch jede irrationelle Methode der Produktion und der wirtschaftlichen Verwaltung vermieden wird. Unternehmungsgeist, Verbesserung der Technik und der Organisation, umsichtige Leitung und Kontrolle, das sind Vorzüge der Privatwirtschaft, die sich der wirtschaftlich thätige Staat aneignen mufs, wenn man ihn als solchen gelten lassen soll. Dagegen mufs man sich hüten, den Hauptgrundsatz des privatwirtschaftlichen Verkehrs ohne weitere Einschränkungen auf den Staat übertragen zu wollen. Ich meine den Grundsatz, nach dem es Aufgabe der Privatwirtschaft ist, mit allen möglichen Mitteln das Maximum des Reingewinnes zu erzielen. In der rücksichtslosen Verfolgung dieses Zieles haben sich Sitten und Gewohnheiten in den privatwirtschaftlichen Geschäftsverkehr eingebürgert, die vom Standpunkte der wirtschaftlichen Zweckmäfsigkeit und Moral durchaus zu verwerfen sind. Dieser Mittel bedarf der Staat nicht, er muss ihrer Anwendung entgegenarbeiten, dieselbe, soweit es an ihm liegt, durch sein Beispiel einzuschränken suchen, indem er statt jenes individualistischen Grundsatzes den Grundsatz der staatlichen und sozialen Verwaltung vertritt. Man könnte zwar behaupten, dass bei staatlichen Monopolen, die lediglich Steuerzwecken dienen, auch jener individualistische Grundsatz voll und ganz zur Anwendung kommen könne. Doch selbst hier, wo die Erzielung des maximalen Uberschusses Hauptzweck ist, wird er durch. soziale und staatliche Erwägungen bedeutend eingeschränkt. Die Lage der Robproduzenten und der Arbeiter, der Einflufs des Monopols auf die gesamte Volkswirtschaft, gerechte Verteilung der dadurch auferlegten Steuerlast, Interessen der Volksgesundheit und Volksmoral, all das sind Betrachtungen, die einen individualistischen Betrieb im strengsten Sinne nicht zulassen. In anderen Zweigen der wirtschaftlichen Verwaltung werden die rein fiskalischen Zwecke noch weit mehr durch staatliche und soziale Gesichtspunkte zurückgedrängt. Niemand wird behaupten, dafs die staatliche Eisenbahnverwaltung in derselben Weise wie die private Aktiengesellschaft als Hauptzweck die Erzielung des höchsten Gewinnes verfolge. Die gröfstmögliche Beweglichkeit der Bevölkerung, welche die Privatgesellschaft jenem Zwecke zu Liebe be

fördern mufs, widerspricht unter Umständen den Interessen, welchen der Staat dient. Soweit dadurch die Anhänglichkeit an die Heimat gelockert, das Nomadenleben der modernen Gesellschaft gesteigert wird, soweit dadurch die dauernde Erfüllung sozialer Pflichten dem Einzelnen unmöglich gemacht wird und der Mensch in wirtschaftliche Lagen versetzt wird, denen er nicht gewachsen ist, soweit liegt es sicher nicht im Interesse des Staates, wenn die Beweglichkeit des Volkes durch künstliche Mittel gesteigert wird. Dagegen hat der Staat die Pflicht, mit völliger Verkennung jenes individualistischen Grundsatzes für die billige und schnelle Verteilung der Arbeitskräfte in der Volkswirtschaft zu sorgen, wirtschaftlich zurückgebliebene Gegenden durch Verkehrserleichterungen zu heben u. s. w.

Dadurch, dafs der Staat in immer steigendem Mafse als Faktor in dem Wirtschaftsleben des Volkes auftritt, bietet sich die Möglichkeit, den einseitigen Individualismus der Privatwirtschaft zu ergänzen und dessen Auswüchse zu heilen. Verhängnisvoll wäre es immerhin, wollte man aus theoretischer Liebe zum Individualismus oder Sozialismus das Wirtschaftsleben nach einem einseitigen System gestalten. Beide bedürfen einander zur gegenseitigen Ergänzung und Korrektur. In der Wirklichkeit sind sie auch nie getrennt und kann man sie nicht trennen, denn die Natur des Individuums und der Gesellschaft ist zu mannigfaltig zusammengesetzt, um sich einem einseitigen System zu fügen. Vermag der Staat das soziale Prinzip in seiner Verwaltung zur Geltung zu bringen, so bietet er damit einem Teil des Wirtschaftslebens eine feste Grundlage, die Schwankungen verhindert und eine stete und regelmässige Entwickelung ermöglicht. Dadurch werden der Spekulation, der Willkür und Anarchie des privatwirtschaftlichen Verkehrs sichere Schranken gezogen. Dem Produzenten verbürgt er die Sicherheit der Existenz und die Möglichkeit der Kapitalbildung. Hält der Staat aber nicht an dem sozialen Prinzip für seine wirtschaftliche Thätigkeit fest, so befördert er in wirksamer Weise die schlimmsten Schäden des privatwirtschaftlichen Verkehrs, anstatt sie zu korrigieren.

Begangene Fehler der Verwaltung werden sich in ihren zerstörenden Folgen dort am schwersten geltend machen, wo ihnen der geringste Widerstand entgegengesetzt werden kann. Es sind die Gruppen der besitzlosen Bevölkerung, deren Lebenssphäre sie mit progressiver Macht belasten. Dem Schaden entspricht auf einer anderen Seite stets ein Nutzen, und was die Massen des besitzlosen Volkes als Nachteil empfinden, gereicht einzelnen Besitzenden zum konzentrierten Vorteil. Die Interessengemeinschaft der Verwaltung mit diesen ist aber viel leichter herzustellen als mit jenen. Mit jenen kommt die obere Verwaltung überhaupt nicht in Berührung, und da nur unter ihnen die Folgen der Verwaltungssünden durch Überwälzung verstärkt zu Tage treten, so sieht

sie diese Folgen gar nicht. Sie sieht nur den vermehrten Glanz einzelner und nimmt daran innigen Anteil. Darin sucht sie auch den Massstab für den Erfolg ihrer Thätigkeit. Es kann aber nicht ausbleiben, dafs eine derartige einseitige Berücksichtigung der Interessen einzelner die wirtschaftlichen Interessen des ganzen Volkes tief schädigt. Die Folgen, die sich aus dem Verkennen jedes sozialpolitischen Berufes und aus dem völligen Aufgehen der Verwaltung in die Interessen einer bestimmten Klasse der Gesellschaft ergeben, treten nirgends so drastisch und unheilvoll zu Tage, als unter dem sehr ausgedehnten Submissionswesen der englischen Regierung.

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I.

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Um die Mitte des Jahrhunderts schrieb CHARLES KINGSLEY sein Buch,,Alton Locke" und als PARSON LOT den Aufsatz Cheap Clothes and Nasty". In diesen Schriften schildert er das Elend der Schneider im Ostende Londons, wie es unter dem Sweatingsystem, das wir kurz als Schwitzerei" bezeichnen wollen, entstanden und grofs geworden ist. Schwitzerei ist die schlimmste Art rücksichtsloser Arbeitsausbeutung. Dieselbe verbirgt sich, wie das Verbrechen vor dem Licht des Tages und dem Auge des Gesetzes in dunkeln abgelegenen Höhlen, wo die Schaffenskraft des Arbeiters in furchtbarer Knechtschaft systematisch bis zum letzten Blutstropfen ausgeschwitzt und ausgenützt wird. In Cheap Clothes and Nasty wird die Entstehung und Begünstigung dieses Systems der Regierung zur Last gelegt. Im Anfang des Jahrhunderts sei die Kontraktarbeit noch gänzlich unbekannt gewesen, die erst durch das Beispiel, das die Regierung im Submissionsverfahren gegeben habe, in allgemeine Aufnahme gekommen sei. Das Kontraktsystem sei aber eins der wirksamsten Mittel gewesen, um den Existenzlohn des Arbeiters (living wages) zu vernichten. Es wird dann behauptet, dass die Regierung für ihre Arbeit nur den 4. oder 5. Teil dessen zahlt, was die Arbeiter sonst dafür zu erhalten pflegen. Als ein Kontraktor 1), Mr. W. SHAW, der seinen Arbeitern gab, was ihnen zukam, die Regierung auf jene Ungerechtigkeiten aufmerksam machte, erhielt er folgende Antwort:

Admiralty, den 19. März 1847.

Mein Herr! Ihren Brief vom S. d. M., worin Sie auf die äusserst niedrigen Löhne aufmerksam machen, die den Schneidern, die für Ihrer Majestät Marine arbeiten, gezahlt werden, habe ich den Lords Commissioners vorgelegt, und ich bin von denselben beauftragt, Ihnen mitzuteilen, dass sie über die Lohnzahlungen für die Anfertigung der Kontraktkleider keine Kontrolle ausüben können. Die Lords Kommissioners baben nur die eine Pflicht, sich um die Qualität der gelieferten Waren zu kümmern und darauf zu bestehen, dafs sie gut gearbeitet sind. Die Kosten für Material

1) Für Submittent und Afterunternehmer oder Akkordmeister behalte ich die englischen Ausdrücke ,,Kontraktor" oder „,Subkontraktor" bei.

und darauf verwandte Arbeitsleistungen sind ausschliefslich Sache des Kontraktors. Selbst wenn diesem seine Kunden einen höheren als den geforderten Preis zahlen würden, so würden seine Arbeiter nicht den geringsten Vorteil davon haben, da die Höhe ihres Lohnes von der Konkurrenz der Arbeiter unter sich abhängt.

Ich verbleibe, mein Herr,

Ihr gehorsamster Diener
H. G. Ward.

Durch diese mit Autorität gesprochenen Worte schimmert der seither etwas verblafste Glanz der Lohnfondstheorie. Wir haben hier ein sehr

treffendes Beispiel dafür, wie leicht sich der Mensch durch das gedankenlose Nachbeten eines Glaubenssatzes über die notwendige Pflichterfüllung wegsetzt. Er bietet eine so angenehme Stütze für die dem Menschen innewohnende Trägheit und Bequemlichkeit und enthebt ihn der schwierigen Aufgabe, die Thatsachen zu prüfen und sie den Forderungen der Gerechtigkeit gemäfs umzugestalten. Aber vielleicht steht uns kaum ein Recht zu, gegen die Regierung in diesem Falle einen Vorwurf zu erheben. Es ist immer weise, wenn sie die Lehren der Wissenschaft anerkennt und im gegebenen Falle danach handelt. Die Nationalökonomie aber lehrte, dafs ein bestimmter Teil des nationalen Vermögens den Lohnfonds bilde, aus dem das Lohneinkommen fliefse. Angenommen also, der Lohnfonds sei eine feste Gröfse und benutzen wir ihn als Dividenden und die Zahl aller in dem Lande sich befindenden Arbeiter als Divisor, so erhalten wir als Quotienten den durchschnittlichen Arbeitslohn des einzelnen Arbeiters. Da nach unserer Annahme der Dividend eine feste Gröfse ist, so bestimmt die Gröfse des Divisors den Quotienten oder in anderen Worten: Angebot und Nachfrage bestimmt den Preis der Arbeit. Diese Lohnfondstheorie hatte das Ansehen eines Naturgesetzes, und gegen Naturgesetze kämpfen Götter selbst vergeblich. Es war nicht zu erwarten, dafs eine wissenschaftlich gebildete Regierung einen derartig vergeblichen Kampf aufnehmen sollte. Der Vorwurf trifft also zunächst die Wissenschaft und dann erst die Regierung, die an die Autorität derselben glaubte. Selbst wenn das furchtbarste Elend unter den Arbeitern, welche im Auftrage des Staates beschäftigt waren, herrschte, selbst wenn sie langsam, aber sicher dem Hungertode entgegensiechten, so lag darin kein Grund für die Regierung, sich darum zu kümmern, denn das geschah ja nach den unabänderlichen Naturgesetzen der Wissenschaft.

Wäre die Regierung weniger mit den Gesetzen der Theorie und mehr mit den Thatsachen des Lebens vertraut gewesen, so hätte sie zu ihrem Schrecken gefunden, dafs es einige Gewerbe giebt, in denen die Konkurrenz bei der Lohnbestimmung ganz ausgeschlossen ist. Sie hätte garnicht weit zu gehen brauchen, um sich davon zu überzeugen. Schon im Jahre 1785 stellten die Londoner Setzer eine Lohnliste auf,

die einen bestimmten Minimallohn für sämtliche Buchdruckerarbeiten enthielt, unter dem dieselben nicht verrichtet werden sollten. Nachdem im Jahre 1801 der erste Gewerkverein der Londoner Setzer gebildet worden war, hat es nie an Bemühungen gefehlt, eine auf gegenseitige Übereinkunft von Arbeitgebern und Arbeitern beruhende Lohnliste aufzustellen. Dieselbe kam 1847 zu stande, und mit vereinzelten Ausnahmen trug diese Lohnskala die Unterschrift sämtlicher Londoner Firmen. Wie sich die Regierung hierzu stellte, werde ich später auseinandersetzen. Auch in allen anderen Gewerben, in denen sich starke Gewerkvereine gebildet hatten, wurden die Löhne durch einen Vertrag zwischen Vertretern der Unternehmer und des Gewerkvereins geregelt. In allen diesen Fällen aber war die Konkurrenz als lohnbestimmender Faktor von vornherein ausgeschlossen. Die Lohntheorie, welche die Regierung als Schild gegen die Ansprüche der Arbeiter erhob, war demnach nicht stichhaltig, sie war schon durch Thatsachen widerlegt worden, und die Regierung mufste sich durch die gedankenlose Verkündung eines Irrtums, dessen Folgen verderblich waren, verhafst machen. Indem sie jede Verantwortung für die Lohnzahlung abwies, übersah sie, dafs sie durch diese grundsätzlich ablehnende Haltung die Entstehung der Schwitzerei verschuldet hatte.

Der Staat war der erste Arbeitgeber, der gröfsere Aufträge durch Kontraktoren ausführen liefs. Zur Erlangung eines derartigen Auftrages entstand unter den Unternehmern eine eifrige Konkurrenz. Der Regierungskontrakt war eine gute Reklame, mit dem sichere und pünktliche Bezahlung verbunden war, und der unter Umständen der Anfang einer unendlichen Reihe gröfserer Aufträge sein konnte. Kein Wunder, dafs ein Unternehmer den anderen zu unterbieten suchte, um aus der Konkurrenz als Sieger hervorzugehen. Die Folge war, dafs die Arbeit schliefslich zu einem unmöglich niedrigen Preise übernommen wurde. Der Kontraktor, der in dieser Weise von der Regierung gedrückt wurde, übte nun einen verstärkten Druck auf diejenigen aus, die für ihn arbeiteten. Gewöhnlich liefs er nach Beschaffung des Materials die Arbeit von einem Subkontraktor besorgen, der dann wieder den auf ihm lastenden Druck auf seine Arbeiter übertrug. Von diesen war nach ihrer wirtschaftlichen Lage und Leistungsfähigkeit kein Widerstand zu erwarten, und sie waren es, die mit unsagbarem Elend bezahlen mufsten, was die Regierung an Unkosten sparte. Jemehr die Bedürfnisse des Staates wuchsen, je gröfser die Aufträge wurden, desto weitere Kreise der Arbeiterwelt wurden durch jenes Verfahren geschädigt; und da es nicht ausbleiben konnte, dafs das Vorgehen der Regierung bald überall von Privatunternehmern nachgeahmt wurde, so begann das Unkraut,,Schwitzerei" ungehemmt zu wuchern. Von der freien Konkurrenz der Arbeiter unter sich, die nach den Worten der Regierung

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